Ab 5. November 2021
Umwege in Spanien und ein spezielles Jubiläum
Letzte wehmütige Blicke auf den im gleissenden Sonnenlicht liegenden Golf von Cadiz. Wir werden das tiefe Blau des Wassers und die weiten Sandstrände vermissen. Nach ruhiger Fährpassage über den Rio Guadiana bei Ayamonte pedalen wir wieder in Spanien. Nicht ganz ungern, wie wir zugeben. Vermissen werden wir keine Minute den lärmigen Verkehr in Portugal, der uns zu häufig zu nah und zu schnell bedrängt hat.
Von der Algarve werden uns vor allem die weitläufigen Ferienappartement-Komplexe in Erinnerung bleiben, die jetzt im November an Szenen in einem Endzeit-Drama erinnern. Menschenleere Strassen, geschlossene Rolläden, Bauruinen neben teuren Hotels, abblätternder Putz. Weite Abschnitte der Küste sind mit Wohnburgen zugepflastert, sie sind in der Hochsaison Ziel vieler sonnenhungriger Pauschaltouristen. Nicht unsere Welt, obwohl wir in Altura froh sind, in einem riesigen Betonkasten ein Zimmer mit Meerblick zu ergattern. Alles hat zwei Seiten.
Einige sehr schöne Abschnitte ab Faro durch Naturschutzgebiete an der Küste, entlang weitläufiger Salinen, waren ein willkommenes Kontrastprogramm. Grossartig, die vielen Wattvögel, Flamingos und Störche. Wenn da nur nicht der stetig mit uns streitende, kalte Gegenwind gewesen wäre. Bea verging murrend jede Lust am Pedalen. Ich verkniff mir zu erinnern, dass auch im südlichen Portugal „November“ auf dem Kalenderblatt steht. Und wer jetzt noch in Shorts fährt, wie ich, ist eh nicht ganz bei Trost! Erst recht, wenn bereits die Nase läuft. Manchmal hat meine liebe Frau recht.
Umwege, die es in sich haben
Es will einfach nicht klappen! Trotz langem Herumprobieren und trickreichen Streckenvarianten gelingt es mir nicht, die Streckenvorschlags-Funktion zu übertölpeln und die Route auf der A-492 nach Huelva auf dem Laptop festzunageln. Knacknuss bleibt die einzige Brücke über den Rio Odiel. Weder gutes Zureden noch Drohen hilft, der Streckenvorschlag stoppt an der Brücke, wendet, schlängelt sich dann über eine 40 Kilometer-Schleife in die Stadt am anderen Ufer. Keine Ahnung, wo der Fehler liegt. Wird morgen schon irgendwie klappen, nach Huelva zu kommen.
Der Fehler erweist sich am nächsten Tag als grosse Baustelle(!), die die Brücke für ein ganzes Jahr unpassierbar macht. Ich grosser Esel, das hätte mir einfallen müssen! 40 Kilometer Umweg fahren? Vergiss es. In Punta Umbria, südlicher an der Küste, gibt es eine Fähre nach Huelva. Sì, sì, bestätigt der junge Typ an der Strassensperre. 20 Kilometer auf schönem Radweg weiter erfahren wir vom Deutsch(!) sprechenden Hafenmeister, dass die Fähre nur bis Ende September verkehrt. Pfuuu . . . Der hilfsbereite Chef deutet unsere langen Gesichter richtig und organisiert ein geräumiges Taxi, das uns zu vernünftigem Preis über die Autobahnbrücke nach Huelva bringt. Hilfsbereit sind sie, die Spanier, das erleben zum wiederholten Mal. Ende gut, alles gut. Bea verzeiht mir den planerischen Lapsus einmal mehr. Jetzt erst mal ein Bier!
Wie in Frankreich und Portugal, so auch in Spanien: Die (Klima?)Jugend wird mit dem Privatauto in die Schule gefahren und wieder abgeholt.
Laufende Nasen und grosses Hallo
Drei Fahrtage bis Sevilla. Wir geniessen nach wie vor schönes Wetter, wenn auch mit Novemberkälte wie in der Schweiz. Magere fünf, sechs Grad am Morgen, mehr geht da nicht. Neben laufender Nase kratzt es täglich mehr im Hals; das verheisst nichts Gutes. Selber schuld! Du wirst mich noch anstecken mit deinem Husten! So der bissige Kommentar von hinten.
Sevilla, ein weiterer architektonischer Leckerbissen in Spanien! Die Hauptstadt der autonomen Region Andalusien besitzt die grösste Altstadt des Landes und eine der grössten Europas. An zahlreichen Orten stösst man auf orientalische Hinterlassenschaften der Mauren, die die Stadt im Jahr 712 eroberten. Am Wochenende gibts zeitweise kaum ein Durchkommen auf den Strassen und in den engen Gassen. Neben ausländischen Touristen geniessen vor allem viele Spanierinnen und Spanier mit Grosseltern und Kindern die Freiheiten nach langen Coronarestriktionen. Kaum eine Chance, in der Innenstadt einen Restaurantplatz zu ergattern. Selbst die Tische im Freien sind heissbegehrt, und das bei frostigen Temperaturen! Nur nebenbei: Uns fällt auf, dass die lieben Kleinen weder in Spanien noch in Portugal beim Spielen, Herumtollen und Velölen einen Helm tragen, ganz im Gegensatz zur Schweiz. Dafür werden die Prinzessinnen und Prinzen im Buggy-Kinderwagen herumgeschoben bis sie in den Kindergarten dürfen.
Seit Tagen wissen wir, dass unsere langjährigen Velofreunde aus Graubünden ebenfalls Sevilla ansteuern und wir uns treffen wollen. Margrit und Pius, seit vielen Jahren mit dem Velo rund um den Globus unterwegs, sind von Genua mit der Fähre nach Barcelona gefahren und ab da im Velosattel unterwegs. Wir freuen uns alle sehr über das Wiedersehen!
100'000 Kilometer gefahren, träumen wir das nur?
Kurz vor Cordoba dann der grosse Moment: Wir sind seit neun Jahren und sieben Wochen rund um den Erdball mit dem Velo unterwegs (davon ca. sieben Jahre effektiv im Sattel). Nun haben wir hier in Andalusien den 100'000. Velokilometer abgespult. Ist das wirklich wahr? Träumen wir das nicht nur? Schier unglaublich, was wir alles zusammen ausgehalten haben in dieser Zeit! Welch ein Glück, war Covid-19 bis vor zwei Jahren kein Thema. Wir sind dankbar für all die Entdeckungen, die wir ohne schlimme Unfälle machen durften. Niemand kann uns das Erlebte je nehmen.
Zugreisen mit dem Velo, so herrlich unkompliziert!
Inzwischen ist der Husten unser fester Begleiter und die Nasen laufen um die Wette. Zeit, die Pläne zu ändern. Wir wollen mit den Zug nach Madrid, nach erholsamen Tagen dann erneut mit der Bahn in den Süden, nach Valencia. Einfach gesagt, knifflig umzusetzen. Einmal mehr gibt es grosse Augen hinter dem Schalter, als wir die Velos erwähnen. Die AVE-Hochgeschwindigkeitszüge rasen mit 300 km/h in die grossen Städte, Velos müssen draussen bleiben. Beim Zug „Media Distancia“ dürfen die Velos mit, es sind aber nur zwei Plätze pro Zug vorhanden, zudem müssen wir in Jaen umsteigen (d.h., nach sechs Stunden herumtrödeln und etlichen Tassen Kaffee geht es endlich weiter). Von Madrid nach Valencia wirds dann richtig nervig. Am vierten Bahnschalter in Madrid Atocha erfahren wir endlich, dass in der Nähe von Cuenca wegen Bauarbeiten keine Züge verkehren, d.h., auf Autobusse umsteigen, die – wie könnte es anders sein – keine Velos mitnehmen. Hmm . . . Am Schalter des Fernbusanbieters Auto-res bekommen WIR grosse Augen. Kein Problem, meint der freundliche Herr, Velos nehmen wir mit. Kostet 10 Euro extra (für ca. 400 Kilometer). Einfacher gehts nicht.
Vielleicht sollten wir in Zukunft für eine gewisse Zeit ohne Velos reisen. Würde unsere Nerven schonen.
Die nervigen coronabedingten Reisehindernisse sind überwunden; die Schweiz hat uns wieder. Wir freuen uns auf erholsame Tage im Seeland. Irgendwann werden wir wieder losziehen, noch ist der Reisehunger nicht gestillt. Aber das hat Zeit.
Wunderschöne, erholsame Festtage im Kreis der Familie, das wünschen wir allen von Herzen!
Bea und Pit, die Bepithas
Spaniens Extremadura, unbekanntes Portugal
Die Extremadura, wie die Region heisst, in der wir nun pedalen und der die Provinzen Cáceres und Badajoz angehören, ist im Süden nur sehr dünn besiedelt. Weinbau und Olivenhaine setzen Farbtupfer in die sonst karge, braungraue Landschaft, die mehr Land als die Schweiz umfasst. Die wenigen Dörfer, durch die wir fahren, hinterlassen den Eindruck, als wären nach einem grossen Exodus nur ein paar Senioren zurückgeblieben. Werden wir von den wenigen Alten auf der Strasse entdeckt, dreht man sich mehrmals um, ganz so, als würde man nicht glauben, dass sich Fremde hierhin verirren. Wer könnte es den Jungen verübeln, dass sie sich in der Fremde auf Lohnlisten setzen lassen. Für uns sind die grandiosen Weitblicke, die die Landschaft gewährt, umwerfend schön. Aber hier leben . .
„House of the Dragon“ für Velofahrer
Zum besonderen Leckerbissen wird das kleine Städtchen Caceres, ca. 240 km südlich von Salamanca, wegen seines weitgehend erhaltenen Mittelalter-Stadtkerns. Seit 1986 wird die Stadt im UNESCO-Welterbeverzeichnis aufgeführt. Zwischen den mächtigen Mauern, wehrhaften Türmen, stattlichen Häusern, Kirchen und in den engen Gassen fühlen wir uns tatsächlich ins 12. Jahrhundert zurückversetzt. Kein Wunder, hat die Filmcrew der Nachfolgeserie von „Game of Thrones“, „House of the Dragon“, die Altstadt zur Filmkulisse bestimmt, in der die Touristen an jeder Ecke über Kabel stolpern, ihnen nicht überall Zutritt gewährt wird, sie dafür jede Menge Fotoobjekte der besonderen Art finden. Was ist an Bühnenarbeitern, Pferdefuhrwerken, Weinfässern, Strohballen, riesigen Kränen und Hebebühnen so spannend? Sie gehören zum Filmset „House of the Dragon“! Nichts ist sicher vor den Smartphonelinsen. Und wir Banausen, die „Game of Thrones“ nur dem Namen nach kennen, mittendrin. Nein, nicht wirklich im Schwerter schwingenden Schlachtengetümmel, aber ganz, ganz nah an einer Statistenrolle. Meinen wir jedenfalls.
Seit Tagen treten wir auf der N630, wechseln nach Caceres bis zum Grenzort Badajoz auf die N523. Der Lastwagenverkehr nimmt zu; wir werden aber rücksichtsvoll mit dem nötigen Abstand überholt. Wir nehmen die langen, eintönigen Geraden auf der Hauptstrasse entlang der Autobahn in Kauf, um möglichst rasch südlicher, an die Wärme zu kommen. Palmen in den Vorgärten, Kakteen und ab Mittag angenehme 23 Grad bestätigen, dass die Richtung stimmt. Endlich wieder in Shorts pedalen!
Unbekanntes Portugal
Ausser einem Städtetripp vor etlichen Jahren nach Lissabon, ist uns Portugal unbekannt. Der Verkehr über Land bleibt dürftig, wenn auch hier, wie in Spanien, kräftig aufs Gaspedal gedrückt wird. Überhaupt sind Autos für Portugiesen wichtig, ähnlich wie für die Spanier. Deutsche Autobauer und teurere Modelle stehen hoch im Kurs. Die Sternedichte auf der Strasse macht der am Nachthimmel durchaus Konkurrenz. Wichtigste Lebensversicherung bleibt für uns Velöler der Rückspiegel. Der seitliche Abstand stimmt (meistens), ausser wenn beim Rechtsabbiegen gedankenlos der Weg abgeschnitten wird. Entspanntes Velofahren? Nein, zumindest nicht auf den grösseren Strassen Portugals.
Eindruck machen die enorm grossen Olivenhaine. Portugal hat den Olivenanbau modernisiert und könnte in den nächsten Jahren zum drittgrössten Olivenölproduzenten der Welt aufsteigen. Wie schon in Spanien dominieren Steineichen- und Korkeichenwälder. Das Iberische Schwein, ganzjährig im Freien gehalten, vertilgt bis zu 10 kg Eicheln pro Tag. Die Baumfrüchte verleihen dem Fleisch seinen typischen, unvergleichlichen Geschmack.
Heute übernachten wir in einer ehemaligen Getreidemühle mit angegliedertem Museum. Zum Feierabendbier serviert uns die Wirtin eingelegte Körner/Bohnen(?), die an Mais erinnern. Das Internet meint, dass wir Samen der Süsslupine probieren. Schmecken gut, die Dinger. Während ich nasche, liest Bea „Lupinen gehören zu den 14 wichtigsten Allergenen. Nach dem Verzehr von Lupinen kann es zu schweren allergischen Reaktionen kommen.“ . . . . Wie viele habe ich schon vertilgt?! „Betroffen sind vor allem Erdnussallergiker, die eine Kreuzallergie zu Lupinen und anderen Hülsenfrüchten aufweisen“. . . . Uuähh, Allergien? Kennen wir glücklicherweise nicht, aber falls? . . „Ein anaphylaktischer Schock kann zum Tod führen!“ . . . Die letzte Bohne bleibt mir buchstäblich im Hals stecken. Wir lassen den Rest stehen, irgendwie schmecken die Dinger doch nicht so gut. Habe ich das Gefühl.
Setubal an der Küste
In Setubal, 30 Kilometer südöstlich von Lissabon, hat es uns die Altstadt angetan. Zumindest der Teil, den die Touris erkunden. Einige Gassen weiter sind etliche Häuser in sich zusammengefallen, nur nackte Fassaden lassen ehemaligen Glanz hinter Unkraut und Müll erahnen. Hier wird Armut sichtbar und riechbar. Schweizer Tagestouristen, die wir in „unserem“ Restaurant treffen meinen, das mache den Charme des Viertels aus. Die Einheimischen sehen das bestimmt auch so . . .
Der Wetterverantwortliche hat den Schalter für die nächsten Tage auf Nass und sehr windig umgelegt. Zumindest bleiben die Temperaturen angenehm. Die Abschnitte ohne Asphalt, auf die wir uns eigentlich gefreut haben, lassen wir zugunsten der Strasse rechts liegen. Keine Lust auf neuerliches Festfahren in Lehmpappe und Sand. Das Pedalen bleibt über weite Strecken eintönig. Je mehr wir uns der Algarve nähern, desto mehr Wohnmobile aus D, den NL und der CH überholen uns. Darf ein als Berner Oberländer geborener Wahlluzerner Zürcher im Wohnmobil grüssen? Wenn sie zurückwinken, sowieso!:)
Heute morgen lesen wir im Internet, dass in Caceres, Spanien (da waren wir) aus einem Nobelrestaurant-Winkeller (ganz in der Nähe unserer damaligen Wohnung!) von einem Pärchen mit (vermutlichen gefälschten) Schweizer Pässen(!) 45 Flaschen äusserst edler, alter Tropfen im Wert von ca. 2 Millionen Euro gestohlen wurden! Unsere Saggoschen sind sonst schon zu schwer, wie hätten wir das anstellen sollen? Sachen gibts . . .
Ab 23.9.2021
Spannendes Spanien
Ein letzter wehmütiger Blick zurück aufs Meer – erst in Portugal werden wir den Atlantik wieder sehen - über den Fluss Bidasoa und wir fahren in Spanien. Französische Grenzer kontrollieren alle Einreisenden. Die Spanier lassen sich erst nicht blicken, aber plötzlich kommt Hektik auf. Polizisten laden Warnschilder, Leitkegel und eine furchteinflössende Nagelsperre aus. Wir haben bestimmt nichts ausgefressen, tauchen trotzdem zügig in den Radweg am Fluss ein.
Nach wenigen Kilometern ist unsere Reisewelt eine verblüffend andere. Dichter Laubwald, tiefgrüne Wiesen, Kühe, behäbige Bauernhöfe, die im Bündnerland oder in Allgäu stehen könnten. Mehrere Gänsegeier kreisen über unseren Köpfen, nisten vermutlich in den steilen Hängen des engen Tales. Einmal mehr haben wir das Gefühl, dass Landschaften die Menschen prägen. Spanien und Frankreich lassen sich wohl nicht vergleichen. Wir sind gespannt, was in den nächsten Wochen auf uns zukommt. Der Radweg führt durch Tunnels die verraten, dass hier mal eine Bahn fuhr. Erst nachdem wir unsere Lampen hervorkramen und uns ins erste finstre Loch vortasten, geht wie von Zauberhand das Tunnellicht an.
Nach einer ruhigen Nacht in einem einfachen Hotel für Lastwagenfahrer gehts am ersten Spanientag richtig zur Sache. Der Puerto de Artesiaga, 845 m, verdient die Bezeichnung Pass eigentlich nicht wirklich; wir spüren aber, dass die Pyrenäen kein einfacher Fahrspass werden. Die immer gleichmässig steile Strasse lässt Velofahrer kaum verschnaufen. Dafür entschädigt der Artesiaga mit grandiosen Ausblicken und verschont uns mit Verkehr.
In Eugi, am gleichnamigen Stausee, sind alle Zimmer besetzt. Acht Kilometer später schlagen wir bei der ersten Gelegenheit zu. In den nächsten Wochen gehört das Vorreservieren von Zimmern zur täglichen Büroarbeit, besonders dort, wo der Pilgerweg nach Santiago de Compostela unsere Route kreuzt. Zum Zelten können wir uns bei den kalten Temperaturen nicht erwärmen.
Pamplona und weiter nach Westen
Die Hauptstadt der Provinz Nvarra kennt man vor allem wegen der im Juli stattfindenden Stierläufe. Auch wenn wir nicht vor Stieren davonrennen, kommen bei den Stadtrundgängen doch etliche Kilometer zusammen. Uns gefällen die Städte, auch wenn wir die Kathedralen von Burgos, Léon und Salamanca nicht von innen sehen. Eintritt in eine Kirche bezahlen wir aus Prinzip nicht. Wie schon in Frankreich ist der Kaffee in Spanien stark und gut, und bestellt man einen Negro (schwarzen Kaffee), regt sich hier niemand auf. Mühsam ist für uns Velofahrer, dass in Spanien das Nachtessen in der Regel erst ab 21 Uhr auf den Tisch kommt. Nach Stunden ermüdendem Pedalen schlicht zu spät. Zum Feierabend-Bier oder Glas Wein gibt es vielfach Tapas; wir wären aber eher betrunken als dass wir von diesen Häppchen satt würden. Gewöhnungsbedürftiges Spanien.
Auf den nächsten Etappen um Logrono und Burgos begeistert die weite, karge Landschaft im Rioja mit Weinbergen und riesigen Feldern, die uns an ähnliche Landstriche in Argentinien und Chile erinnert. Nicht bewusst war uns, dass der Radweg auf weiten Strecken mit dem Pilgerweg nach Santiago de Compostela identisch ist. Wir staunen, wie viele Wallfahrer jetzt im Herbst unterwegs sind. (Massenweise Amerikaner, was doch irritiert, dürfen Europäer nach wie vor nicht in die USA einreisen). Immerhin sind es von Pamplona bis ans Ziel immer noch 730 km Fussmarsch mit etlichen Höhenmetern und die Temperaturen zeitweise im Keller (heute Morgen magere 4°C). Wir werden zu Pilgerern wider Willen, lassen uns den Pilgergruss „buen camino!“ aber gerne gefallen. Ansonsten bleiben Pilgerer und die wenigen Velofahrer unter sich.
Wir fahren weite Strecken auf unasphaltierten Wegen. Sind sie trocken, rollt es prima, bei Regen, wie vor vier Tagen, wird es klebrig-morastig und unvermittelt geht nichts mehr. Einen Augenblick nicht aufgepasst und wir stecken fest. Kein Vorwärts- und Rückwärtsrollen. Alles blockiert. Lehm, Steine und Gras zwischen Schutzblechen, Reifen und Bremsen. Mit der Pappe könnte man Häuser bauen. Nach einigem Herumstochern (und fluchen) retten wir uns auf die nächste Strasse und – wie herrlich – beschert ein Gewitterregen und das anschliessende Pedalen durch grosse Pfützen eine erste Wäsche. Feinwäsche dann bei einem Klosterbrunnen. Die Göppel waren seit Monaten nicht mehr so sauber! Jetzt gehts rasch südwärts, Salamanca zu.