Singapur
Wer um Grossstädte nicht generell einen Bogen macht, unkonventionelle, futuristische Architektur erleben will, viel Grün in der City schätzt, in der Stadt stressfrei mit dem Velo unterwegs sein will und verschiedensten Ethnien offen begegnet, der sollte ihn besuchen, den 6 Millonen-Stadtstaat Singapur.
Mit dem Velo in die Stadt zu pedalen macht in Singapur Spass. Die vielen Radwege laden geradezu zum Genussfahren ein. Wir fahren einige Strecken durch dichten Wald und werden auf Schildern ermahnt, nicht zu fotografieren. Militärisches Sperrgebiet.
Die Einheimischen sind - mit kleinen Ausnahmen - mit E-Bikes unterwegs, auf kleineren Modellen, ideal für die Stadt.
Superlativen auf Schritt und Tritt! Wir haben die Megacity eine Woche auf Dutzenden Kilometern erlaufen, waren mit der modernen U-Bahn unterwegs und haben keinen Tag bereut.
So viele Ethnien es gibt, so verschieden haben wir die Freundlichkeit der Einheimischen erlebt. Manchmal kurz angebunden, aber immer hilfsbereit und rücksichtsvoll.
Rasch fällt auf, dass sich nur selten Kolonnen vor Verkehrsampeln bilden, ja der Stadtverkehr flüssig und geordnet fliesst. Die Regierung setzt seit vielen Jahren konsequent ein Verkehrskonzept um, das es in sich hat. U.a. Beschränkung der Anzahl Autos im Stadtstaat, Hohe Steuern beim Kauf eines neuen Autos, automatische Strassenmaut, klevere Verkehrssteuerung bei Staugefahr, Geschwindigkeitskontrollen mit hohen Bussen, die direkt vom Konto abgebucht werden können, u.a.m. Etliche Einschränkungen, aber die meisten fühlen sich für uns angenehm an!
Ursprünglich hatten wir die Idee, die Feierlichkeiten zum chinesischen Neujahr ab 10. Februar zu erleben (gefeiert werden gemäss Internet zehn Tage) und anschliessend Indonesien unter die Räder zu nehmen. Ausser einem grandiosen Spektakel mit hunderten Drohnen über den drei berühmten Hochhäusern Marina Bay Sands mit obenliegendem „Schiff“, dem Tausende zujubelten, war in Sachen chinesischem Neujahr für uns tote Hose. Von Feierlichkeiten haben wir so gut wie nichts mitbekommen. Vielleicht waren wir am falschen Ort oder hatten falsche Vorstellungen von feiern.
Die berühmten Hochhäusern Marina Bay Sands mit obenliegendem „Schiff“. Geniale Architektur im 21. Jahrhundert. Ein Wahrzeichen Singapurs.
Ein absolutes Muss für alle Chinesen zu Beginn eines neuen Jahres, aktuell das „Jahr des Holzdrachens“, ist das Beten an einem der Schreine in der Stadt. Schier endlose Kolonnen um Häuserblocks, lange Wartezeiten und grosses Gedränge – Chinesen nehmen das stoisch hin. Und natürlich sind die persönlichen Prophezeihungen für das beginnende Jahr, aufgelistet unter dem jeweiligen Jahrgang, von ganz besonderer Bedeutung. Was uns in Sachen Liebe, Erfolg und Geld wohl blüht?
Morgen mit der kleinen Fähre nach Batam, einer Singapur vorgelagerten indonesischen Insel. Hoffen, die grosse Fähre nach Jakarta doch noch buchen zu können. Wer keine indonesische Bankkarte hat, hat buchstäblich schlechte Karten beim Onlinekauf. Sind wir Europäer die Exoten? Oder die Indonesier? Es wird ein Eiertanz unter Zeitdruck, wir ahnen es.
Taman Negara Nationalpark
Seit 130 Millionen Jahren soll der Regenwald im Taman Negara Nationalpark auf der malaiischen Halbinsel fast unverändert bestehen. Er gilt als ältester Wald der Erde da das Gebiet nie vom Meer überflutet oder von driftenden Gletschern verändert wurde. Tönt spannend, trotzdem bleiben die Velos in der Garage. Viel Verkehr und etliche Höhenmeter schrecken ab. Die Fahrt mit dem Bus von Kuala Lumpur aus dauert keine Millionen Jahre, trotzdem reichen die neun Stunden Dauersitzen (hin und zurück) für den einen geplanten Wandertag im Park völlig.
Langer Kanopy-Walk im Taman Negara NP.
Bea geniesst den wakligen Steg.
Im Reservat kommen zahlreiche Grosstierarten wie der asiatische Elefant, der Leopard, Wildschweine, Hirsche und Affen vor. Darunter sind auch vom Aussterben bedrohte Tiere wie der Malaysia-Tiger und der Schabrackentapir. Der Perlenpfau kommt auf der Malaiischen Halbinsel nahezu ausschliesslich in diesem Nationalpark vor. Über 600 Vogelarten, 1000 verschiedene Schmetterlinge wurden gezählt. Auch andere Insekten wie Termiten und Käfer sowie Spinnen leben dort in grosser Vielfalt (aus Wikipedia). Wir wissen, dass Nationalparks keine Zoos sind und es enorm Glück braucht, um eine Grosstierart im Regenwald aufzuspüren.
Wirklich gross sind die Tiere nicht, die wir bei Tag und auf einer Nachttour aufstöbern. Einige interessante Spinnen, Schmetterlinge, Frösche und einen grossen, gefährlich aussehenden Skorpion, das wars dann. Und das Knacken im Unterholz? Wurden wir auf dem Nachttripp heimlich beobachtet? Im Finstern kennt die Fantasie keine Grenzen.
Egal, Regenwald fasziniert immer, auch wenn der Taman Negara nicht unser erster geheimnisvolle Urwald war. Für uns sind die neun Stunden Busfahrt für einen Tag im Park trotzdem grenzwertig. Wahnsinnige können sogar einen Tagesausflug buchen, sind dann 15 Stunden unterwegs, davon neun im Bus.
Melaka
In der geschichtsträchtigen Küstenstadt an der gleichnamigen Wasserstrasse lassen sich prima eine paar velofreie Tage geniessen. Wenn das Hotel noch „Swiss-Garden“ heisst, ist der Kessel sowieso geflickt.
Seit 2008 gehört Melaka (malaiisch, 580'000 Einw.) zum Weltkulturerbe der UNESCO, nicht zuletzt wegen der gemütlichen Altstadt mit ihren Tempeln, chinesischen Geschäften und Restaurants.
Von Melaka aus planen wir mit dem Velo noch fünf Tage bis Singapur. Spätestens drei Tage vor der Grenze zum Stadtstaat per E-Mail die Arrivalcard ausfüllen und senden nicht vergessen. Ständig gibt es etwas zu organisieren.
Wie kann es für uns weitergehen? Das Visum für zwei Monate Indonesien sollte per Mail kommen. Wenn alles klappt bringt uns die grosse Fähre in 35 Stunden von Singapur nach Jakarta.
Fast ging vergessen, dass der Ramadan (Fastenmonat der Muslime) am 12. März beginnt. Für uns Velöler nicht ganz einfach, da es für einen Monat tagsüber keine Verpflegung zu kaufen gibt. Hatten wir vor zehn Jahren schon im Iran. Dafür gab es damals nach Sonnenuntergang, zusammen mit Einheimischen die uns immer wieder einluden, gemütliche Stunden bei gutem Essen in Stadtparks. Wie gerne denken wir daran zurück!
Malaysia
Nach den Weihnachts- und Neujahrstagen auf der schönen Insel Pulau Langkawi (Malaysia) sind wir inzwischen in der 2-Millionen-Megacity Kuala Lumpur angekommen. Angekommen tönt langweilig, war es aber mitnichten! Ein mit Verkehr vollgestopfter Irrgarten mit vielen Chancen, die falsche Strasse zu erwischen, hat unsere Aufmerksamkeit auf eine harte Probe gestellt. Einige Male mit nicht ganz korrekten Manövern zurück in die geplante Strasse gemogelt – ja keine Unaufmerksamkeit! – dann rasch in den nächsten Verkehrsstau schlüpfen und bis zum Rotlicht vordrängeln. Wir hatten das Glück gepachtet. Hätten wir doch ein Taxi nehmen sollen? Hätte, hätte Fahrradkette . . .
Nach 35 km Hochhausschluchten pedalen (die Metropole Kuala Lumpur ist riesig!) stellen wir unsere Velos endlich in der Hotel-Tiefgarage ab. Eine Woche haben sie Ruhe von uns.
Gefahren wird auf malaysias Strassen schnell, es wird zu nah überholt, gerne wird mal der Weg abgeschnitten. Gümmeler (Rennradfahrer) sind allenfalls am Wochenende anzutreffen, was heisst, dass Velos eigentlich nicht existieren, die Autofahrer langsame Zweiräder nicht gewohnt sind und es für uns immer wieder zu brenzligen Situationen kommt. Gegessen, kennen wir von anderen Ländern. Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur schlägt aber alles Bisherige, was den Verkehr angeht. Für die Stadtflucht Richtung Süden buchen wir vermutlich einen Kleinbus.
Die Skyline von Kuala Lumpur. Grandios auch bei Nacht!
Die Hoffnung, nach dem zu oft vermüllten Thailand ein saubereres Malaysia zu geniessen, war leider ein Irrtum, zumindest für uns Veloreisende. Abseits der Touristenrouten entlang stinkender Kanäle zu pedalen und den stechenden Gestank der privaten Abfallfeuer nicht mehr aus den Nasen zu bekommen, schreckt ab. Ja, uns stinkt es an manchen Tagen gewaltig. Schade. Schade für die schöne Natur und die vielen tollen Routen durch die Palmenhaine, die es eben auch gibt.
Wir werden selbst nach Jahren Veloreisen um die Welt nie verstehen, wie Menschen so leben können. Krass die Gegensätze, ganz besonders im supermodernen Kuala Lumpur zu sehen. Hier, in der Megacity, in der einige der höchsten Wolkenkratzer der Welt ihre spiegelnden Glasfassaden in den Himmel strecken. Stört vielleicht ja nur uns.
Es täuscht nicht, Freude, ja Begeisterung tönt anders.Wir sind irgendwie noch nicht richtig in Südostasien angekommen. Darum herrscht gerade etwas Schreibstau. Wir arbeiten daran.
Nach unserem nächsten Ziel, der historischen Küstenstadt Melakka, beiben ein paar Velotage bis Singapur. Mit Glück dürfen wir dort das Chinesische Neujahr (9. bis 24. Februar) und somit den Beginn des „Jahres des Holzdrachens“ mitfeiern.
Im muslimischen Malaysia haben wir es jetzt schon mit den Chinesen. Nicht nur wegen des feinen Essens, sondern weil es fast ausschliesslich in den chinesischen Restaurants Bier gibt!
Insel Phuket
Die Westküste Thailands empfängt uns tatsächlich mit Sonne und fast klarem Himmel. Der Regen erschreckt kurz, gibt dann auf. Eine gute Entscheidung, den Golf von Thailand gegen die Andamansee zu tauschen. Wir sind gespannt, was Phuket zu bieten hat. Interessant schon jetzt, dass nahe Touristenhotspots fast sämtlicher Müll verschwunden ist. Auf den ersten Wochen unserer Reise ab Bangkok gab es reichlich davon.
Hinein ins ärgste Getümmel am Patong Beach! Eine Woche später Ko Phi-Phi, vom Regen in die Traufe. Wir waren vorgewarnt. Die Skala an Ordinärem, Lautem und Stillosem scheint nach unten offen zu sein, das war in diesem Ausmass neu für uns. Alles nicht nach unserem Geschmack. Wer schon da war weiss, was wir meinen. Wenigstens können wir nun mitreden.
Ko Lanta
Dafür war das gebuchte Ressort auf Ko Lanta hammermässig! Nach eineinhalb Stunden auf der Fähre ziehen wir in unser kleines Haus direkt am Strand. Sonne, Sand und Badewannenwasser mit 28 Grad. Unsere Welt ist in Ordnung! Nach lärmigen Tagen wirkt die Wohlfühloase fast beängstigend ruhig. Leider beschränkt sich der Kontakt zu andern Touris auf ein knappes „Hallo“. Man bleibt unter sich, grenzt sich ab. Schade.
Wir mieten für zwei Tage einen Roller, erkunden die Insel. Am Hinterrad scheint die Federung im Eimer zu sein. Bei jeder Bodenwelle und jedem Loch im Belag, von denen es etliche gibt, wird Bea kräftig zusammengestaucht, auch wenn ich mir noch so Mühe gebe und Slalom fahre. Als Nicht-Motorradfahrer hält sich der Fahrspass für uns eh in Grenzen. Noch dazu, als wir einen Unfall sehen, bei dem eine Touristin – vermutlich ohne Helm – mit ihrem Roller einen steilen Abflug hingelegt hat. Sieht übel aus.
Das andere Thailand
Nach gut einer Woche erreichen wir bei Kangar die Grenze zu Malaysia. Unser Thailandbuch wird geschlossen. Die letzten Kapitel bleiben ungelesen. Zum Schluss zuwenig Spannung? Vielleicht. Kapitel, die sich wiederholen? Ja, leider ist das so.
Es gibt DAS Thailand sowenig wie es DIE Schweiz gibt. Abseits der Touristenrouten, auf kleinen Strassen durch noch kleinere Dörfer ist das andere Thailand zu erleben. Wahnsinnig nette, neugierige Menschen, die helfen und Freude an zwei Velofahrern haben, die ihr Land besuchen. Manch herzliche Begegnung bleibt in Erinnerungen lebendig. Aber häufig wird eine Armut sichtbar, die schwer zu ertragen ist. Vom vielen Müll und Gerümpel um die Häuser ganz zu schweigen.
Wie verschieden doch Mentalitäten auf der Welt sind. Einmal mehr wird das für uns in ihrer ganzen Komplexität erlebbar.
Präsent sind überall im Land König Maha Vajiralongkorn Phra Vajiraklaochaoyuhua oder Rama X. und seine Frau Suthida. Majestäten schauen im Goldornat huldvoll von riesigen, goldgerahmten Bildern an Strassen und Gebäuden auf ihr Volk, ihre Untertanen, die den Monarchen sehr verehren.
Der König ist mit einem Gesamtvermögen von geschätzten 30 Milliarden US-Dollar der reichste Monarch der Welt.
Untrügliche Zeichen, dass ein Wetterwechsel ansteht
Je mehr wir südwärts pedalen, je mehr rotten sich die weissen Cumuluswolken zu bedrohlich schwarzen Gewitterwolken zusammen, anstatt sich abends aufzulösen, wie sich das für Schönwetterwolken gehört. Dazu kommt, dass der angenehme Nordwestwind, der tagsüber die Hitze erträglicher macht und uns vorwärts treibt, gegen Abend mit kräftigen Böen erschreckt. Untrügliche Zeichen, dass ein Wetterwechsel ansteht.
Mit etwas Glück und Suchen nach kleinen Nebenstrassen abseits der einzigen Schnellstrasse in den Süden Thailands, werden wir oft mit landschaftlichen Leckerbissen belohnt. Wir pedalen auf Umwegen, machen mehr Kilometer durch dichten Regenwald und kleine Dörfer als wenn wir uns die sechsspurige Expressstrasse antun würden. Wunderschön und kaum Verkehr! Die Hauptachse Nord-Süd ist zum Velofahren etwa so attraktiv, wie das Pedalen auf der A1 von Bern nach Zürich. Der stinkenden, lärmenden Verkehrslawine ausweichen – es müssen täglich tausende Lastwagen sein - lohnt sich allemal, trotz verlockendem breiten Seitenstreifen der Schnellstrasse.
Aijut, 75, seit 20 Jahren Witwe, hat sich vor 10 Jahren selber etwas Englisch beigebracht. Sie ist eine Ulknudel. Wir lachen viel zusammen! Einen Freund hat sich nicht, um Gotteswillen, nein! Aber wenn wir in Phuket einen reichen Mann für sie finden würden, dann würde sie ihn schon nehmen. Nein, jung müsste er nicht sein, aber reich. Wir werden uns umschauen.
Das ständige Rauf und Runter auf tollen Strassen und Strässchen lässt Bea manchmal murren, aber das ist nichts Neues. Pit setzt sich dann ein paar Meter ab und macht auf Stur-nichts-hören oder tut so. Wie viele Anstiege dürfen es heute sein? Was, so viele Höhenmeter! Müssen wir so weite Umwege fahren? Über nichts können wir beim Velofahren so prima streiten, wie über die Strecke. Wir kennen uns. Gibt sich allemal. Nach dem Regen scheint die Sonne.
Thailand gehört zu den grössten Produzenten von Palmöl, Kokosprodukten und Naturkautschuk. Die Palmenhaine erstrecken sich auf weite Strecken entlang der Strassen, unterbrochen von kleinen Dörfern und Verarbeitungsbetrieben. Dass bei der Kokosnussernte Schweinsaffen (gehören zur Familie der Makaken) wichtige Erntehelfer sind, haben wir bisher noch nirgends gesehen. Nach einem intensiven Training klettern die flinken Gesellen den Palmenstamm hoch und drehen die reifen Nüsse so lange, bis sie fallen. Bis zu 300 Stück an einem Tag kann ein flinker Makake ernten! Gemäss Artikeln im Internet ist die Praktik aus Tierschutzgründen umstritten. Die Tierhalter wollen trotzdem an der alten Tradition festhalten, sind der Meinung, dass sie die Tiere gut behandeln.
Gleich drei Tage hintereinander begegnen uns junge Briten auf Fahrrädern. Willkommene Gelegenheiten zum Quatschen. Woher? Wohin? Seit wann?
Wir geniessen die spontanen Zwischenhalte sehr und müssen einmal mehr feststellen, dass wir locker als ihre Grosseltern durchgehen. Dass die jungen Radler toll finden, was wir machen, schmeichelt natürlich auch.
Der Ostküstenmonsun bleibt präsent, bringt täglich heftige Gewitter und starke Winde. Auf der Höhe von Pathio ist die Küstenstrasse teilweise gesperrt. Wütend drischt die meterhohe Brandung auf die Mole ein. Wasser, Müll und Sand machen das Vorwärtskommen mühsam, aber wir bleiben (noch)trocken.
Das war noch nichts. Was heute folgt, ist für uns die finale Prüfung im Wassertreten.
Der aufgesparte(!?) Tropenregen der letzten Tage wird eimerweise über uns ausgegossen. Auf den Nebenstrassen vor Lamae gibts kein Entkommen. Nach ersten grossen Tropfen suchen wir Schutz, stehen eine Stunde unter Dach derweil die Himmelsschleusen voll offen stehen. Unglaublich! Wo kommt das viele Wasser her? So ein Inferno haben wir noch nie erlebt! Endlich hat der Schleusenwart mit uns erbarmen. Wir stürmen los, nur um zweihundert Meter weiter noch intensiver übergossen zu werden. Nun ist alles egal. Bereits ist die Strasse stellenweise überflutet. Wir treten wie die Wilden gegen die manchmal fast bis zu den Knien reichende braune Brühe an, die über die Strasse schiesst. Jeder muss für sich kämpfen. Ich traue mich kaum nach Bea hinter mir zu sehen. Nur keinen Sturz riskieren und von der Strasse gespült werden. Immer noch zehn Kilometer bis Malae.
Tönt richtig beschissen. Alles ist pitschnass, aber eben nur nass. Wir können dem Regen entfliehen, müssen nicht bleiben, ganz im Gegensatz zu den Einheimischen. Sie bangen um ihren ohnehin wenigen Besitz. Die Kunden der Strassenküchen bleiben aus. Sie tun uns leid.
Wir überlegen, zurück zu pedalen. Macht aber wenig Sinn. Keine Ahnung, was hinter uns passiert, vielleicht sitzen wir schon in der Falle. Vorwärts! Irgendwann trudeln wir in Lamae ein, quartieren uns im grösseren der beiden Hotels im Ort für zwei Nächte ein. Alles nass. Im Zimmer nur ein Kleiderbügel, die Klimaanlage funktioniert ausgerechnet heute schlecht. Und es giesst und giesst und giesst . . .
Der Ostmonsun treibt gemäss Wetterbericht mindestens zehn Tage weiter sein Unwesen. Was tun? Wir haben da so eine Idee . . .
Mit dem Zug von Malae nach Surat Thani, etwas näher an besseres Wetter, das wäre die Idee. Ein Wunder! Der junge Thai in schicker Uniform am Bahnschalter spricht Englisch! Billette in der Tasche, die Velos bezahlen wir morgen früh. Am nächsten Morgen kurze Fahrt im Regen zum Bahnhof. Wir warten pünktlich um sechs Uhr auf den Beamten am Schalter. Nichts tut sich. Niemand sonst am Bahnhof. Dass der Zug erst um 07.30 Uhr fährt, also eine Stunde später als gestern angegeben, erfahren wir nebenbei. Wir bezahlen umgerechnet drei Franken pro Nase, inklusive Velos im Güterwagen. Immerhin für 160 Kilometer und eineinhalb Stunden Fahrt nach Phunphin (Bahnhof Surat Thani). Alles klappt, die Bahnmitarbeiter helfen beim Verstauen. Noch 17 km zum Hotel in der Stadt, natürlich bei Regen.
Thailand
Bangkok, quirlige, atemlose Hauptstadt Thailands mit mehr als 10 Millionen Einwohnern, liegt hinter uns. Die mit Abstand grösste Megasity des südostasiatischen Königreiches schläft nie. Das gleichtönige Brummen der Metropole, das zu uns im 17. Stockwerk des Hotels hochschwappt,
wird auf der Strasse überraschenderweise nur um einige Dezibel lauter. Das liegt auch daran, dass trotz ständig verstopfter Strassen selten ein Hupen hörbar wird. Die Höflichkeit der Thais – ob im täglichen Umgang untereinander oder auf der Strasse – lässt keine lauten Töne zu. Niemand will sein Gesicht verlieren.
"Mit dem Velo erfahrene und bereiste Länder
seit Reisebeginn Ende September 2012"
Wir freuen uns auf die nächsten Wochen und Monate, auf das Pedalen, auf das feine Essen und überhaupt auf alles, das es abseits der Touristenhotspots zu entdecken gibt! Die feucht-heissen Temperaturen um die 30 Grad sollten für uns erfahrungsgemäss kein Problem sein. Wir lassen es langsam angehen.
Viel Regen kurz vor Samut Songkhram. Mit Glück schaffen wir die letzten Meter bis zu einer Lastwagenwaage und zum einzigem Unterstand auf weiter Strecke, dann giesst aus aus Kübeln. Wir drehen Daumen und gucken mehr als eine Stunde Löcher in den trüben Himmel. Warum begeistern die Tropen wohl mit soviel Grün? Noch sind wir trocken. Überschwemmte Strassen gehören zum täglichen Strassenbild. Die Regenzeit weiss nicht genau, wann sie vorbei sein sollte. Einmal mehr nehmen die Autofahrer Rücksicht und verschonen uns mit Regenduschen. Manchmal steht das warme Wasser zwanzig Zentimeter hoch.
Ein Tag Pause, „Füdli“ schonen und einsalben, Kleider waschen, ausschlafen, nächste Tage planen.
Überrascht stellen wir fest, dass wir vor acht Jahren schon mal mit dem Velo in Samut Songkhram waren! Hier quält sich die Eisenbahn im Schrittempo durch den engen Markt in der Innenstadt. Die Händler haben sich auf und neben den Bahngeleisen istalliert. Kommt ein Zug (vier Züge pro Tag!), muss rasch geräumt werden. Chaos pur! Die vielen Touristen, vor allem Chinesen, sind aus dem Häuschen. Natürlich, jetzt kommt uns alles wieder in den Sinn!! Morgen weiter nach Phetchaburi, ca. 50 km.
Was uns ebenfalls nicht mehr in dem Masse präsent war, wie schlecht es um die Sprachkenntnisse vieler Thais an wichtigen Orten bestellt ist. An der Hotelreception in der Kleinstadt Samut Songkhram oder in Restaurants im touristischen Küstenort Cha-am zum Beispiel, geht ausser „yes“ und „no“ absolut nichts! Englisch ist in Thailand keine Amtssprache, ganz im Gegensatz z.B. zu den Philippinen.
Nach zwei kurzweiligen Tourtagen auf meist kleinen Strässchen im Hinterland geniessen wir in Cha-am erstmals das (rauhe) Meer der Bay of Bangkok. Wenig einladend zum Baden, dafür umsomehr der grosse Pool vor der Zimmertüre im Hotel.