Dänische Inseln
Von Südjütland geniessen wir das Fahren über die Inseln Fünen, Langeland, Lolland, Falster nach Köge auf Seeland im Osten in gemütlichen Etappen. Wir erleben die Eilande unterschiedlich. Auf Jütland und Fünen sind Strassen, Häuser und Villen, von denen es nicht wenige gibt, sehr gepflegt, ja oft „gschläcket“. Wie in den übrigen skandinavischen Ländern wird Rasen gemäht, was das Zeug hält. Riesige Flächen raspeln Traktormäher lärmend auf Golfrasenlänge ab. Vermutlich ist das „Traktörlen“ mit Kopfhörerradio für viele Dänen einfach das Schönste an der Gartenarbeit. In Lolland fahren wir auf teilweise schlechten Strassen, da und dort liegt Gerümpel um die Häuser und viele Dörfer wirken wenig einladend. Interessante Einblicke abseits der Touristenstrassen. Mit dem Velo besonders gut zu erleben.
Geradezu unverschämtes Wetterglück – nach den paar Tropfen kurz nach Hirtshals verwöhnt uns die Sonne seit drei Wochen mit sommerlichen 20 bis 24 Grad – lässt das viele Nass Norwegens fast vergessen. Und endlich kann Bea den Übernachtungsführer „Overnatning i det fri“ (Übernachten im Freien, mehr weiter unten) ergattern! Die Möglichkeiten zum Aufstellen des Zeltes sind sehr verschieden. Eine Waldlichtung mit Grill, eine Wiese mit WC-Anlage, mit oder ohne Wasser, privat im Garten, mit Küche, Dusche und Plumpsklo. Anmelden meist nicht nötig, Kosten keine oder nur sehr bescheiden (max. 25 Kronen pro Nase).
Jeden Tag erleben wir mit den Campplätzen Überraschungen, meist positive, auch lustige. Einmal stiftet eine falsche Telefonnummer Verwirrung - nicht jeder hat Freude, wenn eine Frau anruft und fragt, ob sie und ihr Mann im Garten zelten dürfen und wenig später ein anderer Anrufer das gleich nochmals fragt. Situationskomik total, haben selten so gelacht! Zwei Tage später fahren wir beide mitten in der Nacht hoch. Macht sich jemand an den Rädern zu schaffen? Nachschauen? Ist der Kehrichtsack neben dem Zelt vergessen worden? Die Lampe schafft Klarheit: ohne Hast macht sich ein Igel aus dem Staub. Den Krümeln der Pistazien-Schokoladenriegel konnte er nicht wiederstehen.
An einem anderen Abend freuen wir uns auf Ruhe am Meer, bis ein sturzbetrunkener Vater mit Sohn auftaucht und stundenland höllischen Radau macht, mit grossen Knüppeln rumläuft und auch die beiden Schweizer besucht, zum Glück friedlich. Wir rüsten auf. Ein Stock im Vorzelt lässt uns ruhiger schlafen.
Die Nächte werden merklich kühler. Das Zelt ist am Morgen innen und aussen nass. Wir nehmen uns Zeit, verfeinern die Technik beim Trocknen, kriechen zwischen Aussen- und Innenzelt und packen unser „Haus“ fast trocken in den Sack. Not macht erfinderisch und im Umgang mit Wasser sind wir inzwischen Hirsche.
Unsere Fähre nach Bornholm legt morgens um 00.30 Uhr in Köge ab. Glücklicher Zufall, dass uns Andrea und Linda, zwei deutsche Ladys auf Tour, nachmittags im Städtchen ansprechen. Wir haben ja viel Zeit bis zur Abfahrt. Ein Bier und zwei Stunden später verabschieden wir uns mit einer Umarmung. War schön, euch kennen zu lernen. Gute Reise!
Faszinierend, wie gut organisiert und rasch die riesige Fähre „Hammerodde“ (der Name passt doch zu uns, oder?) in drei Stunden entladen und beladen wird. Zwischen Lastwagen und vielen Containern hat es tatsächlich Platz für zwei Velöli samt Gepäck. Im grossen Schlafraum mit Bettkojen rollen wir uns in die Schlafsäcke und lassen uns vom fernen Dieselmotorbrummen sanft in den Schaf wiegen. Bornholm, wir kommen!
„Overnatning i det fri“
(Übernachten im Freien)
Mehr als tausend Campplätze sind im handlichen Führer 2013 aufgelistet, teilweise mit kleinem Situationsplan. Neben dem Beschrieb sind GPS-Koordinaten, Adresse und Telefonnummer des Verantwortlichen (leider ohne Vorwahl) notiert. Pech, wer kein Dänisch versteht. Zwei, drei Zeilen in englischer Sprache wären sehr hilfreich. Bei Dänen nachfragen hilft selten. Kaum jemand weiss um die Plätze, das Angebot ist weitgehend unbekannt.
Eine Karte von Dänemark mit allen Campplätzen ergänzt den Führer. Zu kaufen in Buchhandlungen und Touristinfos für umgerechnet Fr. 22.- (oder sollte eigentlich . . . wir sind mehr als eine Woche hinter einem Exemplar hergejagt).
Dänemark ist anders. Vor allem flach soll das Land sein (dachten wir auch). Wenn es keine Berge hat, heisst das aber noch lange nicht, dass es keine Steigungen gibt. Und ja, Wind gibt`s auch (ein bisschen mehr, als von uns vermutet). Gleich von Anfang an fühlen wir uns wohl in Jütland. Das liegt nicht zuletzt an dem guten Radwegnetz und den Karten dazu. Etliche offizielle Routen aber, vor allem an der Nordseeküste, sind ohne Teerbelag. Mit viel Gepäck nicht das Gelbe vom Ei; wir lassen sie links liegen. Auch Radwege, die an Hauptstrassen entlang führen, sind lärmig und mehr ein Müssen als ein Dürfen. Dank GPS finden wir unzählige kleine Strässchen mit sehr wenig Verkehr.
Von Hirtshals zur Ostsee rollt`s mit Rückenwind, von Als nach Fjaltring zurück zur Nordsee heisst es dann kräftig treten. Wir haben Zeit, lassen uns treiben.
Wüssten wir nicht ganz genau, dass wir in DK sind, dann könnte man meinen, Deutschland würde sich im Norden eine Halbinsel nur zum Ferienmachen leisten. Deutsch ist allgegenwärtig. Waren aus dem südwestlichen Nachbarland ergänzen das dänische Angebot bestens – und sind endlich zu vernünftigen Preisen zu kaufen!
Das Velofahren ist nach dem bergigen Norwegen pure Erholung. Riesige Weizenfelder, ausgedehnten Rinderweiden, etwas Mais, Hafer, ein paar Zuckerrübenfelder und kleine Dörfchen – wir bummeln pro Tag kaum mehr als 50 Kilometer. Übernachten ist in Dänemark nie ein Problem. Campingplätze gibt’s wirklich wie Sand am Meer. Die meisten recht gross, verhältnismässig teuer. Mit Zelt sind wir sowieso die grossen Exoten. DIE Alternative für uns sind „Lagerplätze“, Naturcamps abseits bewohnter Gebiete, meist mit Wasser und Toilette. Sie kosten nichts und nur wenige Touris verirren sich dorthin, weil sie schwer zu finden sind, zumindest ohne genauen Beschrieb (gibt’s in einem Buch, dem wir seit Tagen hinterherlaufen und nirgends bekommen).
Eindrücklich und neu für uns sind die weiten Sandstrände an der Nordsee. Wild und ungestüm peitschen die Wellen das Ufer, stürmischer Wind weht Sand in die Augen und uns fast von den Füssen. Ein herrlich fesselndes Schauspiel für Landratten.
Zum Glück halten die weiten Dünen an der Westküste den heftigen Nordseewind etwas im Zaum. Wir fühlen uns trotzdem oft, als wenn wir unsere übermütig gewordenen Drahtesel erst zureiten müssten. Einige Autofahrer meinen offenbar, wir kurven zum Spass Schlangenlinien und nur ein nahes Vorbeifahren würde die Esel auf den Rädern zur Vernunft bringen. Ohne zu Zögern würde Pit dem einen oder andern auf den grossen Zeh treten. Besser keiner hält an.
Nach fast 12`000 Kilometern ohne Plattfuss erwischt es Pit in fünf Tagen dreimal. Immer hinten, klar. Übeltäter sind enorm scharfe Splitter von Feuerstein. Der Reifen sieht aus als hätte ihn jemand als Unterlage zum Zwiebelschneiden missbraucht. Keine Frage, der nächste Platte ist vorprogrammiert, da hilft kein Zittern und Hoffen. In Söndervig hat Pit die Nase endgültig voll. Ein neuer Pneu muss her, umgehend. Beim Fahrradverleih (www.söndervigfahrradverleih.dk) ist leider kein passender Reifen an Lager. „Kein Problem, ich fahre heute nach Ringköping und bringe dir einen neuen zum Zeltplatz“, verspricht uns der deutsche Besitzer. Frei Zelt wird der Pneu am Abend geliefert – toller Service! Herzlichen Dank, jetzt rollt es wieder super.
Zwei Tage Faulenzen (Waschen, Einkaufen, Etappen planen, Schläuche flicken, HP aktualisieren, Statisktik nachführen, Mails schreiben . . .) auf Fanö, einer kleinen Insel vor Esbjerg in Südjütland, tun Seele und Beinen gut. Wir geniessen die weiten Strände und beobachten Robben auf Sandbänken im Wattenmeer. Eigentlich stand Dänemark nicht auf unserer Reisewunschliste – wir hätten viel verpasst.
Wir wollen in den nächsten Wochen über die dänische Insel Bornholm nach Polen. Warschau und Krakau sollen besonders schön sein. Und wenn alles klappt geht’s dann weiter nach Budapest.
Adjø Norwegen, velkommen Dänemark!
Mit gut sechs Stunden Verspätung verlassen wir abends mit der erst seit drei Wochen in Dienst stehenden „MS Stavangerfjord“ ein regnerisches Bergen Richtung Hirthals in Dänemark. Gemäss Kapitän gab es Probleme beim Betanken mit Flüssiggas (neue Technik) und mit der Trimmung des Schiffes. Mit Lesen und Essen haben wir uns die Wartestunden im Hafenterminal um die Ohren geschlagen. Weder originell noch spannend, aber bei dem Hudelwetter (gemäss Alexandra regnet es in Bergen so viel wie nirgends sonst in Norwegen) kostet (Bea) schon der Weg in den nächsten Supermarkt Überwindung. Gegen sieben sind die Räder im Schiffsbauch verstaut und wir sitzen auf Deck 10 (endlich) hinter einem Bier. Das Suchen nach dem richtigen Lift macht durstig. Fehlt uns die Kreuzfahrterfahrung?
Die Airsessel sind bequem, aber zum Schlafen . . . Kabine gab`s leider keine mehr. Nach einer halben Stunde liegt Bea im Mittelgang und Pit findet zwischen den Sitzreihen eine harte und unbequeme Unterlage zum „Schlafen“. (Wir sind nur eine Handvoll Reisende im Raum). Eine Mütze Schlaf und 15 Stunden später legt die Fähre in Dänemark an, unserem 20. Reiseland.
Blick zurück auf Norwegen
Die Schönheit von Natur und Landschaft in Norwegen war für uns eine Wucht! Tag für Tag neue Ausblicke, Sonne und Regen gleichzeitig, tagelang Regen, scheinbar in den Himmel führende Strassen, viele, viele Höhenmeter, rasante Abfahrten, grosse und kleine Fähren, traumhafte Campplätze und Sonnenuntergänge an einsamen Küsten und Fjorden – das alles in fast acht Wochen zu erleben und zu verarbeiten fällt uns nicht leicht.
Den Abschied einfacher gemacht haben uns die enorm hohen Preise, die zurückhaltenden Norweger, ein lockerer Umgang mit Geld (Preise werden aufgerundet), 25% Mehrwertsteuer, oft bescheidenes Warenangebot, leere Regale und beschränkte Einkaufsmöglichkeiten, der mühsame Kauf von Bier, Wein und Spirituosen (nebenbei: gemäss UN hat Norwegen den weltweit höchsten Lebensstandard – zum vierten Mal). Norwegen ist eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten.