Honduras: 9 Millionen Einwohner
28. August bis 20. September 2018
452 km und 6'775 Höhenmeter mit dem Fahrrad gefahren.
Ab 18.9. 2018
Nochmals in Honduras
Die abschliessenden drei Tage Honduras gestalten sich wenig spektakulär, einziger Spektakel bleibt der lärmige, stinkige Lastwagenverkehr Richtung Nicaragua. Wir erleben die Leute hier im zweiten Teil von Honduras weniger offen und freundlich, ja manchmal abweisend-muffelig. Vielleicht liegt es an den fröhlichen, gastfreundlichen Salvadorianern in den Tagen vorher, dass wir das so empfinden.
In Choluteca fragen wir den Hotelier, ob es im Bad warmes Wasser hat. Wir leben in einem warmen Land, da braucht man kein warmes Wasser zum Duschen, gibt er uns etwas pikiert zur Antwort. Ja natürlich, was für eine dumme Frage in einer Region, wo der Hygienezeiger immer im roten Bereich pendelt, viele Bewohner ohne fliessendes Wasser auskommen müssen, Wäsche kalt gewaschen wird – unsere Klamotten haben alle die gleiche braune Farbe angenommen – und wo selbst in Restaurants und Hotels das fettige Geschirr kaum je heisses Wasser zu spüren bekommt. Wie absurd, heiss duschen zu wollen!
Honduras
Wechselbäder
Nach mehr als einer Stunde sind wir endlich durch, der Stempel im Pass. Echt mühsam heute, die Einreise nach Honduras. Dafür begeistern uns die Menschen mit ihrer Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft einmal mehr. Wir kommen kaum nach mit Grüssen und Winken. Gehupt wird sowieso ständig. Setzen wir uns für eine kurze Pause in den Schatten, gesellt sich rasch ein Einheimischer zum Plaudern zu uns. Die Verständigung ist oft schwierig, nicht so sehr weil sie schnell sprechen und Nuscheln, sondern weil manche nur noch drei, vier Beisser im Mund haben und uns ihr Spanisch wie Chinesisch vorkommt. Egal, wir lachen alle Hürden mit offenen Herzen weg.
Interessant, dass uns hier in Honduras viele Menschen auf Englisch ansprechen. Fast alle haben ein paar Jahre in den USA gelebt und mit ihrem Gehalt die Familien im Heimatland unterstützt. Das Paradoxe ist, dass der Parkplatzeinweiser und der Einkaufswagen-Einsammler beim Supermarkt Englisch sprechen, die Beamten am Zoll und die Rezeptionistin im Hotel dafür kein Wort. Uns hält man immer wieder für Amerikaner; sehen wir wirklich so aus? Nein, das wollen wir den Amis nicht antun, sie haben heute, im Jahr 2018, eh nicht viel zu lachen.
Die Landschaft bleibt grün und hügelig. Unsere Aufmerksamkeit gilt bis La Entrada aber vor allem dem vielen Verkehr. Unzählige Lastwagen sind mit grossen Seecontainern unterwegs; nicht alle nehmen auf uns Rücksicht, manche hupen sich den Weg frei ohne die Geschwindigkeit zu reduzieren. Nichts Neues.
Gewaltig stinkt uns der viele Dreck an und auf der Strasse. Ein solch zugemülltes Land haben wir seit langem nicht mehr erlebt. Drei Abfall-Platten in drei Tagen (ein vierter noch kurz vor der Grenze) sind für längere Zeit genug (hoffentlich!). Den letzten Plattfuss flicken wir bei einem Bier in einem Restaurant. Der fliessende Schweiss beim Pumpen muss schliesslich kompensiert werden (Puuuuhh, ohne ein weiteres Helles ist die Reparatur nicht zu schaffen. Wir finden dann doch noch ein Hotel . . .).
Sauberkeit und Hygiene sind dehnbare Begriffe, ganz besonders in Südamerika; im letzten Hotel wurden die Leintücher am Morgen einfach umgedreht, wie Bea beobachtete. Wir haben es einige Male vermutet, dass da vielleicht schon jemand im Bett . . . Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss und manchmal ist es besser, möglichst wenig zu wissen und wenn wir doch vermuten/wissen bringt der Seidenschlafsack Nachtruhe.
50% der Kinder haben keinen Grundschulabschluss (Wie wir selber erleben, besuchen viele Schüler die Schule nur unregelmässig. Ein Grund ist, dass sich Familien keine Schulbücher und -hefte leisten können. Die staatlichen Schulen sind kostenlos.). Ca. 5% der Kinder werden nicht eingeschult, die Analphabetenrate beträgt ca. 11.5%, die Regierung unternimmt aber grosse Anstrengungen um die Bildung zu fördern. Bildung ist grösster Einzelposten im Staats-Budget.
Und dann werden so schöne, neue Kirchen gebaut, obwohl 70 - 80%(!) der Honduraner unter der Armutsgrenze leben. Das können wir schlicht nicht verstehen.
In La Entrada sind der Grossteil der Lastwagen Richtung Hauptstadt Tegucigalpa abgebogen. Kaum mehr Verkehr Richtung Copan. Alexandra hat ihrem lieben Mameli geschrieben, dass hoffentlich eine wunderbare Tagesetappe heute an ihrem Geburtstag auf sie wartet. Sie kann nicht ahnen, wie recht sie hat.
Wenige Kilometer hinter La Entrada ist Schluss mit gemütlichem Trödeln. Wir husten uns auf 30 km durch dichten Staubnebel auf knapp 1000 m ü.M. hoch. Fahren, schieben, niesen, verwundert die Augen reiben; nein so haben wir uns das nicht vorgestellt. Die Strecke wäre toll, aber ohne 50 km (!) staubige Strassenbaustelle. In Abschnitten wird eine neue Betonfahrbahn eingebaut, grosse Maschinen zwingen zum Zickzackfahren, Autos scheuchen uns vor sich her. Wir werden es kaum vor dem Dunkelwerden nach Copan schaffen. Ausgerechnet heute . . . von wegen wunderbare Tagesetappe . . . Puste-keuch-Kuchen.
Und dann fragt ein Engel in Person eines freundlichen Honduraners, ob er uns nach Copan mitnehmen soll. Eigentlich hat Pit eine tiefe Abneigung gegen das Autofahren mit Fahrrad; aber wohl nie vorher ist so schnell verladen worden, wie heute. Wir sitzen auf der Ladefläche des Pickups und halten die Nasen in den Fahrtwind. Erst jetzt realisiert meine liebe Frau, dass sie nicht selber fährt, sondern gefahren wird! Halleluja, der Abend ist gerettet! Copan, wir kommen!