El Salvador: 7,4 Millionen Einwohner
Hauptstadt: San Salvador
5. bis 18. September 2018
437 km und 6'090 Höhenmeter mit dem Fahrrad gefahren.
Heisse Nächte und blanker Radfahrer-Horror
Nach neun Kilometern ist die Passhöhe auf der Ruta de Las Flores erreicht; wir sind das erste Mal in Schweiss gebadet heute. Die zwanzig Kilometer rassige Talfahrt bis Sonsonate bleibt heute das einzige Velovergnügen. Die vierspurige Strasse nach San Salvador ist extrem stark befahren, Lastwagen stinkt an Lastwagen, Diesel-Russfilter sparen sich die Salvadorianer ohnehin, zu allem Übel wird der Gegenverkehr wegen Baustellen über Kilometer auf unsere Strassenseite umgeleitet. Der Seitenstreifen verschwindet unter Müll und Sand. Blanker Radfahrer-Horror!
Das Mass ist voll! Nach zwanzig Minuten Daumen in den Wind halten nimmt uns ein nettes Pärchen bis nach Santa Tecla mit. „Liebi Sieche“, das sind sie, die Salvadorianer. In den nächsten Tagen bekommen wir mehrmals Getränke gereicht, aus dem Autofenster gehalten, bisweilen wortlos. Im Supermarkt an der Grenze fehlt das restliche Kleingeld um Wasser zu kaufen (alle Dollars sind bereits in honduranische Lempiras umgetauscht), ohne zu zögern greift ein Kunde ins Portemonnaie und begleicht den Rest, einfach so. Eine kleine Geste mit grosser Wirkung bei uns!
Nach wie vor verzichten wir auf das Zelten. Campingplätze gibt es keine und in der Wildnis campieren, wie wir es lieben, ist nicht unbedingt ratsam, zudem vermiesen die täglichen heftigen Gewitter das Zeltvergnügen total.
Es gibt Auto-Hotels an der Strecke, man bezahlt stundenweise für . . . na ja, eher unruhige Nächte. Denken die Salvadorianer immer nur an das Eine, so viele Hotels wie es von dieser Sorte gibt? Wir finden mit Glück und etwas Vorbereitung die wenigen anderen Unterkünfte und geniessen (meist) ruhige Nächte.
Einmal mehr fällt unangenehm auf, wie viele schulpflichtige Kinder arbeiten, zum Teil betteln und die Schule links liegen lassen. Bei allem Verständnis für die schwierige Lage der Länder und die grosse Armut, aber das ist eine Sauerei, was der Staat hier zulässt. Für einen übergrossen Polizei- und Militärapparat scheint Kohle vorhanden. So bleiben die Mächtigen an der Macht. Ecuador bestraft Eltern hart, die ihre Kinder nicht in die Schule schicken. Ohne Bildung bleiben die Länder Mittel- und Südamerikas in der Armutsfalle gefangen.
In Nicaragua sehen wir in den nächsten zwei Wochen dieselben Bilder.
Uns hat El Salvador gefallen. Grossartige Natur und liebenswürdige, gastfreundliche Menschen machen das Land zum Reiseerlebnis, besonders für uns Langsamreisende.
Ab 11.9. 2018
El Salvador
Wir schlängeln uns durch die vielen wartenden Lastwagen am Grenzübergang San Cristobal zu El Salvador. Ohrenbetäubend der Lärm beim Anfahren und Abbremsen der Riesen, Presslufthämmern gleich knattern die mächtigen Auspuffrohre sobald die Motorbremsen wirken. Dazwischen lassen Motorradfahrer ihre Maschinen aufheulen, wenn sie viel zu schnell durch das Getümmel jagen, schreiende Strassenhändler, dröhnende Musikboxen. Der alltägliche Lärm-Wahnsinn in Süd- und Mittelamerika.
Die 40-Tönner-Ungetüme mit den ellenlangen Aufliegern stellen den Warenverkehr auf der Panamericana zwischen Guatemala und El Salvador sicher. Die Strasse ist einziger Verkehrsweg, eine Eisenbahn gibt es hier nicht. Wie bereits vorher in Guatemala üblich, steigen an der Grenze Bewaffnete zu um die Ladungen vor Überfällen zu schützen (Selbst kleine Camions die Getränke oder Lebensmittel verteilen, werden in Guatemala von Wächtern mit Schrotflinten begleitet. Dass vor Einkaufsläden Bewaffnete stehen, nimmt man kaum mehr zur Kenntnis. Die völlig vergitterten Kleinläden sind eine Herausforderung für sich. Bis man durch zunehmend genervtes Zeigen und Zurufen endlich das richtige Getränk bekommt, ist man beinahe verdurstet). Nachts fahren die Lastwagen zur Sicherheit oft in Konvois, wer leer fährt, lässt die Frachttüren offen.
Ob das Leben hier wirklich so gefährlich ist, wie die vermummten Polizei- und Militärpatrouillen vermuten lassen, entzieht sich unserer Kenntnis. Oft haben wir den Eindruck, dass viel unnütz herumgefahren wird und die Bevölkerung Polizei und Militär eher skeptisch beobachtet.
Allen Waffen zum Trotz fühlen wir uns nie bedroht oder unwohl. Man heisst uns in El Salvador willkommen, winkt, wünscht eine gute Reise; die Menschen sind auch hier warmherzig und offen, stets für einen kurzen Schwatz zu haben.
Reisende bekommen beim Grenzübertritt zu Guatemala, El Salvador, Honduras und Nicaragua, die sogenannte CA-4 Region, ein 90-Tage-Visum für alle vier Länder zusammen. Um den Grenzübertritt und den Warenverkehr zu erleichtern, wurde diese Regelung 2006 eingeführt. Zufall, dass wir diesen Umstand bemerken. An jeder Grenze wird dann gerechnet um die Resttage in den Pass einzutragen. „Wie lange wollen Sie in El Salvador bleiben?“ fragt mich der Beamte. Hm, mit dem Fahrrad sind wir langsam unterwegs . . . ohne weitere Bemerkung schreibt er Pit nochmals ganze 90 Tage in den Pass! (Bea hat nur 54 Resttage). Der Mann ist mir sympathisch!
Die Strasse ist holpriger als in Guatemala, weist zudem meist keinen Seitenstreifen auf. So bald es geht lassen wir die Panamericana links liegen und holpern über El Porvenir auf nicht asphaltierter Strasse nach Chalchuapa. Hier wächst neben dem obligaten Mais auch Reis. Kaum ein Auto stört die Ruhe; einfach schön, das Trödeln bei schönstem Wetter.
Achuapan hat sich für das dreitägige Stadtfest herausgeputzt, viele Strassen sind gesperrt und, wie könnte es anders sein, sämtliche Hotels ausgebucht. Was nun? Monica, die quirlige Rezeptionistin im Hotel Sorelle telefoniert herum, lässt ihre Beziehungen spielen. Keine Chance, alle Hotels sind voll. Nach Rücksprache mit ihren Eltern bietet sie uns ihr Zimmer zu Hause an. Puhh, wieder mal Glück gehabt!
Obwohl wenig Platz vorhanden ist und neben ihren Eltern auch noch ihr Bruder samt den Söhnen Max und Carlo im Haushalt leben, werden wir herzlich willkommen geheissen. Muchas gracias Monica, Maria y Carlo por todo!
Die Ruta de Las Flores, eine 40 km lange Strasse durch die Berge, ist bei den Salvadorianern sehr beliebt wegen der schönen Landschaft, den netten kleinen Dörfern aber vor allem auch, weil in den Bergen die Temperaturen deutlich kühler sind als in den Tiefebenen um San Salvador. Für uns heisst das erst mal auf 1250 m ü.M. klettern. Zwei Tage Pause In Concepcion de Ataco. Festwochenende auch hier. Und selbstverständlich jeden Tag ein heftiges Gewitter; die Strassen werden zu Bächen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als uns von Restaurant zu Restaurant ins Hotel zurück zu essen resp. zu trinken um einigermassen trocken zu bleiben. Es gibt Schlimmeres.