Bolivien: 11 Millionen Einwohner
Hauptstadt: Sucre
30. August bis 30. September 2017
1'539 km und 7'878 Höhenmeter mit dem Fahrrad gefahren.
Bolivien hat uns in mancherlei Hinsicht sehr gefordert aber auch wunderschöne Fahrradstrecken unter die Räder gelegt. Wir behalten die Salare de Coipasa und Uyuni und die Lagunenroute als nicht alltägliche, grandiose Fahrrad-"Abenteuer" in Erinnerung. Trotzdem verlassen wir Bolivien nicht ungern.
Ab 20.9. 2017
Auf der Lagunenroute nach Chile
Mit dem Lagunenrouten-Virus haben wir uns irgendwann letztes Jahr infiziert, als unsere Radlerfreunde aus Österreich den harten Brocken gefahren sind und mit grosser Begeisterung berichtet haben. Allerdings war die Begeisterung über Monate nur einer zarte Pflanze, die erst wachsen musste.
Trauen wir uns eine 8- bis 10-tägige Tour, bei der Wasser für drei Tage und Lebensmittel für fast die ganze Strecke mitgenommen werden müssen, zu? Reichen unsere Kräfte aus, um die Räder bei heftigem Gegenwind über Kilometer durch Sand und über grobe Wellblech-pisten zu zerren und eiskalte Nächte im Zelt durchzustehen? Was, wenn es Probleme gibt? Spätestens nach Peru war klar, wir versuchen es!
Das Pedalen von Uyuni nach Alota ist eintönig. Abwechslung, auf die wir verzichten könnten, bringt einzig der eiskalte Wind, der uns spätestens am frühen Nachmittag um die Ohren fegt. In San Christobal wird nochmals der Benzinvorrat für den Kocher aufgefüllt und – grandios – auf dem Mark finden wir Gemüse, das mit Kartoffelpüree und Bouillon gekocht, eine feine, sättigende Suppe ergibt.
Alota, letzte Gelegenheit, den Wasservorrat bis zur Laguna Hedionda aufzufüllen. „Es gibt Wasser, aber ich kann ihnen keines verkaufen“, Bea versteht die Welt nicht mehr. In der zweiten Tienda haben wir Glück, kaufen gleich den ganzen Wasservorrat auf. 12 l und eine grosse Flasche Fanta sollten reichen. Ein paar Tunfischkonserven, etwas Schokolade und trockene Biskuits, viel mehr hat der Kiosk nicht anzubieten. Darum sind unsere Taschen sind seit La Paz gut gefüllt.
Auf den ersten Kilometern der Lagunenroute bekommen wir einen Vorgeschmack, was uns in den nächsten Tagen erwartet. Strasse kann man die von den Offroadern ausgefahrenen Spuren nicht nennen. Wir zerren unsere schweren Velos durch Sand und über Geröll steil bergwärts. Einen einigermassen windgeschützten Zeltplatz zu finden, ist in dieser baum- und strauchlosen Stein- und Sandwüste nicht einfach. Nach drei Tagen ist unser Zelt total verdreckt, die Reissverschlüsse lassen sich nur mit Mühe ziehen.
Vorbei an der malerischen Laguna Canapa mit ihrem klaren Wasser erreichen wir nachmittags die Laguna Hedionda mit ihren tausenden Anden-Flamingos. Die zarten, anmutigen Vögel inmitten der imposanten Bergwelt auf 4150 m ü.M. haben etwas Beruhigendes. Hektik hat hier keinen Platz. Wir geniessen die erste heisse Dusche nach fünf Tagen in der einfachen Ecolodge Los Flamingos, wärmen uns im kleinen Vorraum am Fussboden liegend an der Sonne auf. Herrlich! Wann hatten wir das letzte Mal so warm? Und dann das Abendessen, ein absoluter Hammer! Bei Kerzenschein(!) wird uns ein Menu serviert, das einem 4-Sterne Hotel in der Schweiz zu ehren gereichen würde. Hier, weitab, hätten wir das nie erwartet. Plötzlich springt Bea auf, jubelt und schliesst eine junge Frau in die Arme. Valentina und Rico, unsere französischen Freunde sind mit dem Velo soeben hier eingetroffen, mit ihnen Tetsuya, ein junger Japaner aus Nagoya, auf dem Weg nach Santiago de Chile. Wir freuen uns alle sehr über das vierte Wiedersehen!
Mit Brot und frischem Wasser brechen wir am nächsten Morgen gemeinsam auf. Wir werden bis San Pedro de Atacama zusammen reisen. Erneut strahlend blauer Himmel. Die Berghänge der Vulkane rundum erstrahlen in zarten Grau-, Braun- , Oliv- und Okkertönen, schöner könnte man sie in Wasserfarben nicht malen. In der Ferne steigt über einem Gipfel Rauch auf. In Chile gibt es mehr als 2'000 Vulkane, davon sollen ca. 55 aktiv sein. Wind. Wir können die Uhr danach stellen. Weht er erst aus Nordwest bläst er uns nachmittags voll aus Süden kalt ins Gesicht. Durch ständiges Wechseln der Fahrspur versuchen wir Sand und üblem Wellblech aus dem Weg zu fahren, das kostet unheimlich Kraft. Immer wieder heisst es schieben, zerren, kurz verschnaufen. Das Reisen auf 4200 bis 4930 m ü.M. ist anstrengend, auch wenn wir uns seit Monaten an die grossen Höhen gewöhnt haben. Einzig dem quirligen Tetsuya, der grinsend erzählt, sein Velo sei schwerer als er, scheint die Höhe nichts auszumachen. Wie eine Wildsau pflügt er durch den Sand, rettet sich widerholt mit einem kühnen Sprung in den Strassengraben vor einem üblen Sturz. Zweimal reparieren wir gemeinsam den gebrochenen Gepäckträger an seinem Rennrad. Zu lachen gibt es viel; wir geniessen das gemeinsame Reisen im Wissen, dass wir uns gegenseitig helfen und aufstellen können. Irgendwann haben alle mal einen Durchhänger.
Unsere gefahrene Strecke versuchen wir so oft als möglich zu aktualisieren. Sie ist zu finden unter der Rubrik „Bereiste Länder und gefahrene Routen 2012-2017“.
Die 38 Kilometer bis zum Hotel Desierto mitten im Nirgendwo erweisen sich für uns beide als Knacknuss. Es rollt unglaublich mühsam. Tiefe Wellblechspuren, ganze Lastwagenladungen Sand und böiger, heftiger Gegenwind; heute haben wir das ganze Programm abonniert. Die wüstenähnliche Landschaft ist in ihrer Weite einmal mehr berauschend schön. Morgens und nachmittags überholen uns Offroader mit Touristen, ansonsten reisen wir allein.
Die Sonne geht unter, die Temperaturen wechseln von eiskalt zu bitterkalt. Es ist Nacht, als wir nach Kilometern Fahrrad schieben endlich in der Ferne schwache Lichter erkennen. Unserer Freunde sitzen schon seit einer Stunde im Warmen. „Jetzt alles gut“ meint der kleine Patron auf Deutsch zu Pit und umarmt in spontan. Sehe ich wirklich so beschissen aus? Heute Abend vermutlich schon.
Nachtessen gibt es nur für angemeldete Gäste, trotzdem erbarmt sich der Küchenchef und lässt uns eine Suppe servieren, gratis. Wir sitzen an der Wärme, geniessen die heisse Suppe. Fantastisch schön der nächtliche Sternenhimmel. Hier, weitab von Dörfern und Städten, wölbt er sich besonders fantastisch. Ja, die Welt ist wieder in Ordnung. Und einmal mehr möchten wir nicht mit den Touris tauschen, die im Pulk für viel Geld in geheizten Offroadern von einem Hotspot zum nächsten gekarrt werden.
Bei der Laguna Colorada knöpfen uns die Bolivianos Fr. 20.-/Person für den Eintritt in den Nationalpark Fauna Andina Eduardo Avaroa ab. Ziemlich happig für Velofahrer. Auf den ersten Blick enttäuscht uns die Laguna Colorada. Wie eine grosse Blutlache liegt der See vor uns. Mitte Nachmittag wird das Rot, verursacht von Mikroorganismen im Wasser, noch intensiver. Hunderte Flamingos suchen im seichten Uferbereich nach Nahrung.
Am späten Nachmittag erreichen wir das Geothermalgebiet Sol de Manana, das auf 4850 m ü.M. liegt und als eines der höchstgelegenen Geysierfelder der Welt gilt. Die Hölle muss sehr nah sein, überall dampft, blubbert und pfeift es aus und in der Erde. Stechender Schwerfelgeruch liegt über der Senke. Als einziger einigermassen windgeschützter Platz zum Zelten bietet sich eine Ruine an, die vermutlich mal ein Toilettenhaus werden sollte (und es allem zum Trotz doch geworden ist). Die Dutzenden Touristen, die den Ort täglich aufsuchen, hinterlassen in der Ruine und hinter jedem Stein im Umkreis ihre unappetitlichen Visitenkarten. Toilettenpapier überall. Eine Riesensauerei! In welchen Taschen wohl das viele Eintrittsgeld für den Nationalpark verschwindet, liebe Parkverwaltung?
An der wunderschönen Laguna Chalviri stossen Sophie, Hervé, Iris und Lise aus Frankreich zu uns. Die beiden sympathischen Ärzte sind mit Tandems unterwegs, Iris (10) und Lise (8) strampeln kräftig mit. Aber zuerst geniessen wir alle mal ein stundenlanges, entspannendes Bad im 40 Grad warmen Freiluftbecken. Das tut den müden Muskeln sooo gut und angenehmer lässt sich die hellblaue Laguna Chalviri kaum betrachten.
Nachtessen im Restaurant? Fehlanzeige. Nur für Touris stehen Köstlichkeiten auf den Tischen (Die Touranbieter nehmen die Lebensmittel mit, mieten sich in den Restaurantküchen ein, bewirten ihre Gäste selber). Da hinten, auf dem Tisch, stehen noch viele Speisen herum, die nicht gegessen wurden (u.a. ganze Berge köstliches Gemüse!!!). Dürften wir vielleicht . . . das wäre sehr nett . . . ist doch schade um das gute Essen . . . Genial, wir dürfen uns bedienen! Von allen Seiten bekommen wir nun von Gästen Speisen zugeschoben. Das grosse „Fressen“ beginnt! Den schiefen Blicken nach scheinen nicht alle unseren Heisshunger zu verstehen, was uns hier und jetzt völlig Wurst ist.
Zu neunt erreichen wir anderntags die Laguna Blanca, nahe der chilenischen Grenze, errichten dort inmitten einfacher Mauern ein windgeschütztes Zeltlager. Die Laguna Blanca (das Wasser bekommt seine weisse Farbe durch eingeschwemmte Mineralien) schimmert wunderbar weiss-blau im weichen Nachmittagslicht, im Südwesten wacht majestätisch der 5920 m hohe Vulkan Licancabur („Berg des Volkes“) über der Lagune. Etwas westlicher leuchtet die Laguna Verde in starkem Kontrast in dunklem Grün. Die auffällige Färbung wird durch einen hohen Anteil an Mineralien wie Magnesium, Calciumcarbonat, Blei und Arsen verursacht. Je nach Windstärke und den dadurch aufgewirbelten Sedimenten wechselt die Farbe zwischen hellem Türkis und dunklem Grün. Bedingt durch den speziellen Mineraliengehalt des Wassers leben an der Laguna Verde keine Flamingos. Wir können uns kaum satt sehen, wunderschön die beiden Seen!
Tetsuya kämpft mit Magenproblemen, er ist der Gruppe heute mit grossem Abstand hinterher geschlichen. Kein Wunder, bei all dem was er gestern heisshungrig kalt und warm in sich hinein gestopft hat.
Zusammen macht das Kochen und Essen mehr Spass, ganz besonders, wenn man Gemüse, Reis und Teigwaren vom Vortag nur aufzuwärmen braucht. Wie ein hungriges Rudel Löwen machen wir uns über die Köstlichkeiten her. Ein Festessen ohnegleichen! Velofahrer haben immer einen Bärenappetit.
Der Stempel des bolivianischen Grenzers knallt in den Pass. Nach 730 km Salz- und Sandpiste rollen wir wieder auf asphaltierter Strasse. Wir freuen uns wie kleine Kinder. Die chilenische Immigration befindet sich in San Pedro de Atacama; nach einem letzten anstrengenden Anstieg sausen wir die 40 km dem zweitausend Meter tiefer liegenden Touristenort zu. Jetzt sind fünf Tage Pause fällig, mindestens!
Ab 12.9. 2017
Salz und Sand – über die Salare
de Coipasa und Uyuni
70 km lang und 30 km breit, der Salar de Coipasa ist der zweitgrösste Salzsee Boliviens. Auf dem See ist deutlich weniger los als auf dem benachbarten, bekannteren Salar de Uyuni. Nach einer Nacht in einem einfachen privaten Zimmer bei einer älteren Signora – fliessendes Wasser gibt es keines, als Toilettenspülung dient ein Eimer und ein grosses Fass mit brauner Brühe - im kleinen Nest Coipasa, pedalen wir früh los. Nach dem Mittag kämpfen wir mit Gegenwind, trotzdem ist das Fahren über die Salzkruste ein spezielles Erlebnis. Die Oberfläche ist überraschend verschieden, mal sehr glatt, dann wieder unangenehm bucklig. In acht nehmen müssen wir uns vor heimtückischen Löchern im Salz, die dann und wann überraschend auftauchen. Autos sind auf den verschiedene Pisten praktisch keine unterwegs. Wir geniessen das Alleinsein.
Die Orientierung ist dank GPS einfach. Nach 40 km verlassen wir bei Tres Cruces den Salar de Coipasa, bis Llica sind es weitere 40 km, heute noch gut zu schaffen – meinen wir. Unmengen Sand in den Fahrspuren, Wellblechpisten und stürmischer Gegenwind, der uns den Dreck um die Ohren haut, als würden wir sandgestrahlt, machen uns einen dicken Strich durch die Rechnung. Schieben, zerren, fluchen – nie vorher waren die Fahrräder so schwer und wir so auf den Felgen. Um sieben Uhr abends ist es dunkel und bitterkalt, immer noch fehlen zehn Kilometer. Das Fahren mit Stirnlampen wird zum Fiasko, alle paar Meter stecken wir erneut im Sand fest. Also zu Fuss weiter; ob wir heute noch ankommen? Wieder mal geht ein Türchen auf, ein nicht ganz nüchterner Pickup-Fahrer und seine zwei Kumpanen nehmen uns bis nach Llica mit. Ohne Zweifel haben wir heute die Prüfung für die Lagunenroute bestanden!
Der Salar de Uyuni ist mit mehr als 10'500 Quadratkilometern der grösste Salzsee der Erde. Es soll bis 200 Meter tief sein und liegt auf 3650 m ü.M.
Wir pedalen gut vermummt – die Sonneneinstrahlung ist hier besonders intensiv – 80 km bis zur Isla Incahuasi. Die Insel mitten im Salar ist wegen der Jahrhunderte alten Kakteen eine beliebte Touristenattraktion. Mehr als zwei Dutzend Offroader haben Touristen ausgespuckt, die im Freien (frierend) picknicken und nach einer Stunde so rasch verschwinden, wie sie gekommen sind. Fahrradfahrer sind hier exotische Vögel, die entsprechend beäugt und allenfalls als Erinnerungsfoto eingepackt werden.
Nach einem feinen Nachtessen im Restaurant dürfen wir unser Zelt für eine Nacht in einem grossen Raum aufstellen, schlafen windgeschützt wie Murmeltiere.
Unsere gefahrene Strecke versuchen wir so oft als möglich zu aktualisieren. Sie ist zu finden unter der Rubrik „Bereiste Länder und gefahrene Routen 2012-2017“.
Abschliessend bleiben nochmals 80 km bis ans Ufer bei Colchani. Da sich keine bezahlbare Unterkunft findet (im Salzhotel kostet das Zimmer 175 US$, etwas zu teuer für uns . . .) hängen wir die 25 km bis Uyuni an. Die Kleinstadt bietet ausser ein paar Pizzerias, einem kleinen Supermarkt, teuren Touristenunterkünften und zugemüllten Strassenkreuzungen wenig. Zum Glück schleppen wir unsere Lebensmittel für die Lagunenroute seit La Paz mit. Hier Einkaufen wäre ein Reinfall gewesen.
Ab 6.9. 2017
La Paz
Drei Tage La Paz reichen. Wir haben die Visen um 30 Tage verlängert und Lebensmittel für gut eine Woche gebunkert, Bea hat neue Schuhe gekauft und sich einen flotten Haarschnitt verpassen lassen und nicht zuletzt war das Essen beim Mexicaner Extraklasse. Ja, wir haben uns erholt und es uns gut gehen lassen.
Wie wirkt Bolivien auf uns? Es gibt von allem weniger als in Peru, ausser Müll.
Abfall begleitet uns auf der ganzen Strecke nach Oruro, fliegt uns mit Windböen um die Ohren. Vor allem um Dörfer und in den Vorstädten von La Paz und Oruro ist die stinkende, von Hunden überlaufene Sauerei einfach grauenhaft. Sehr angenehm ist, dass das dämliche Gehupe (fast) gänzlich aufgehört hat und die Bolivianos im Strassenverkehr Rücksicht auf uns nehmen und mit genügend Abstand überholen. Überhaupt haben wir das Gefühl, dass das Leben allgemein ruhiger verläuft als in Peru. Die Bolivianos begegnen uns freundlich, wenn auch zurückhaltender als die Peruaner (in den Städten). In kleinen Dörfern, wohin sich kaum je ein Gringo verirrt, spüren wir dafür eine umso grössere Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft. Woher? Wohin? Ihr müsst die und die Strasse nehmen, gute Reise, Gott sei mit euch! Jede und jeder will uns zum Abschied die Hand schütteln. Das geht ans Herz.
Einkaufen und Übernachten gestalten sich deutlich schwieriger als in den Monaten zuvor weil es ausserhalb der Städte nur kleinste Läden mit sehr bescheidenem Angebot (wenn überhaupt) und fast keine Residencials (Hostals) gibt.
Über die langweiligen 230 Kilometer Geraden mit mässigem Verkehr auf der vierspurigen Bolivia 1 bis Oruro gibt es wenig zu sagen. Wir hauen die Strecke in zweieinhalb Tagen herunter. Ungemütlich wird es am zweiten Tag. Ein heftiges Gewitter rückt uns nah auf die Pelle und bei jedem Donnerkrachen ziehen wir die Köpfe auf unseren Stahleseln ein. Hoffentlich verirrt sich kein Blitz. Hier auf dem topfebenen, baumlosen Altiplano spielen allenfalls Leitungsmasten Blitzableiter.
Irgendwo in einem kleinen Nest erleben wir das, was andere Bolivien-Velofahrer beschrieben haben. Wir stehen vor einer Tienda, möchten eine Kleinigkeit einkaufen. Frau beachtet uns nicht, will uns offenbar nichts verkaufen, die Türe zum Nebenraum fällt vor Beas Nase ins Schloss. Kein Problem, wir gehen zur Selbstbedienung über. Unglaublich wie schnell la Signora ihren dicken Hintern vom TV-Gerät wegbewegen kann. Na also, geht doch!
200 Kilometer bis Sabaya, kurz vor der chilenischen Grenze. Die gut ausgebaute Strasse ohne nennenswerten Verkehr verläuft fast immer flach und weil sich kaum Hügel in den Weg stellen löst sie sich nach schier endlosen Geraden oft einfach irgendwo am Horizont auf. Die ausgedehnte Pampa bevölkern hunderte Lamas und kleine Gruppen Vikunjas. Ausser zähe Andengrasbüschel (Ichu) und niederes Buschwerk wächst hier auf 3700 m ü.M. nichts mehr.
Langweiliges Pedalen, könnte man denken. Nicht für uns. Wir saugen die Ruhe auf dem gigantisch weiten Altiplano auf wie Schwämme, lassen die karge und doch faszinierende Landschaft auf uns wirken. Selten gibt es eine Handvoll Häuser und wieder mal Menschen. Nach dem städtischen Trubel hat das Alleinsein etwas sehr Beruhigendes.
Windgeschützte Zeltplätze zu finden, ist verständlicherweise nicht einfach. Der beste Freund der Radfahrer kann sich hier richtig gut austoben, was er ausgiebig und aus allen Richtungen tut, aber uns kann er die Laune trotzdem nicht verderben. Am zweiten Abend bleibt trotz längerem Suchen nur ein ungeschützter Zeltplatz in der Pampa übrig. Heftig rüttelt der Wind am Zelt und versucht immer wieder die Benzinkocherflamme auszublasen. Irgendwann sind die Teigwaren pampig weich und die Fleischbällchen wenigstens warm, dafür das Bier eiskalt. Egal, wir futtern mit Appetit. Nachts fällt das Thermometer immer deutlich unter Null; die Wasserflaschen müssen mit ins Zelt, sonst gibt’s am nächsten Morgen keinen Kaffee.
Am 11. September ist es soweit: Wir sind seit Reisebeginn im Herbst 2012 genau 50'000 Kilometer pedalt. Das Feiern wird mangels einer guten Flasche Wein auf später verschoben, eine innige Umarmung gibt es trotzdem.
Bolivien
Morgen Mittwoch, 6. September, pedalen wir weiter südwärts. Wir freuen uns auf den Salar de Coipasa und den Salar de Uyuni und anschliessend ganz besonders auf die legendäre Lagunenroute bis nach San Pedro de Atacama in Chile. Wir hoffen, dass wir genügend Lebensmittel dabei haben und die grossen Höhen und kalten Nächte gesund überstehen.
Während gut drei Wochen sind wir schlecht oder gar nicht erreichbar.