In Vietnam's Hauptstadt Hanoi, ein weiteres Zwischenziel ist erfahren
Für einen Sechs-Stunden-Trip auf einem der vielen Ausflugsschiffe durch die Halongbucht müssten wir im Hotel 110 Fr. auf den Tisch blättern. Dass die Preise hier vielfach überrissen sind, ist bekannt. Darum steigen wir morgens um halb sieben in ein Taxi und lassen uns für einen bescheidenen Preis über die grosse Hängebrücke zum Pier der Ausflugsschiffe bringen. Die Hauptsaison ist vorbei, nur wenige Langnasen warten an den vertäuten Holzkähnen, dafür ergiessen sich Busladungen voller schnatternder Chinesen über den Pier. Die Tickets kosten knapp die Hälfte des im Hotel offerierten Preises. Nach zwei Stunden warten geht es mit einem Dutzend Individualreisenden endlich los; die Touris aus dem Reich der Mitte mit ihren asiatischen Einheitskegelhüten haben alle Kähne links und rechts von uns geentert, was uns nicht stört.
Einige Dutzend Schiffe tuckern vor und hinter unserem Boot durch die Bucht, umkurven schroffe Felsnadeln, legen da und dort an für Besichtigungen. Wir geniessen den Tag in erster Linie zum Entspannen und Faulenzen an der Sonne. Süsses Nichtstun . . . Apropos Sonne, die Vietnamesen schleichen den Schatten nach, wo es nur geht. Ja nicht braun werden heisst die Devise. Das Sonnendeck ist Schweizer Territorium!
Für uns sind die sechs Stunden auf dem Schiff genug. Die Halongbucht mit ihren steil ins Meer abfallenden Kalksteinfelsen ist speziell und absolut sehenswert. Ein Zwei- oder gar Dreitagestripp mit Schlafen und Essen auf dem Schiff wäre aber nichts für uns.
Nach zwei Tagen auf dem Velo spült uns eine unglaubliche Flut von Motorrädern in die Hauptstadt, mitten in die Altstadt mit ihren engen Gassen und vielen Touristen. Die Hotelsuche ist knifflig und zum Schluss nervig. Nirgends gibt es Parkmöglichkeiten, vor allem für unsere Velos haben die Hotels keinen sicheren Platz. Nur für die erste Nacht lassen wir uns darauf ein, die Velos tagsüber draussen abzuschliessen und an der Reception den Schlüssel zu deponieren, damit unsere Pferde in der Nacht im sicheren Entrée stehen dürfen. Gefährlich scheint uns die Stadt nicht, trotzdem, wenn die Räder Langfingern in die Hände fallen . . . nicht auszudenken.
Hanoi ist eine pulsierende Stadt ohnegleichen. Unglaublich, welche Massen von motorisierten Zweirädern unterwegs sind, sich dann und wann zu einem Knäuel verkeilen, der sich doch immer wieder auflöst, ohne dass es zu Zusammenstössen kommt. Velos sind auch hier nur eine Raderscheinung.
Heute, am 30. April 2015, wird dem Ende des Vietnamkrieges vor 40 Jahren feierlich gedacht. Ein schreckliches Kapitel in der Geschichte des Landes. Immer noch werden Kinder mit Missbildungen geboren, sind Landstriche in den Bergen durch das Entlaubungsmittel Agent Orange schwer geschädigt, so dass fast nichts wächst.
Am 4. Mai geht’s auf zu neuen Ufern. Adieu, interessantes Vietnam. Es war schön, auch wenn du uns mit deinem ständigen nervigen Gehupe zeitweise gehörig auf die Nerven gegangen bist.
Sozialistische Republik Vietnam
Der flache Hügelzug an der Grenze zu Laos hat offenbar einen günstigen Einfluss auf den Wasserhaushalt, sonst lässt sich kaum erklären, warum sich die Landschaft gegen die Küste zu in so sattem Grün präsentiert. Eine wahre Freude, wieder mal fliessende, saubere Flüsse zu erleben. Der Unterschied zu den letzten Tagen in Laos, wo wir nur dürre Felder, kahle Bäume und kaum Wasser führende Bäche gesehen haben, ist eklatant. Bis zur Küste am Golf von Tonking sind es kaum hundert Kilometer. Wieder mal das Meer sehen! Bewusst haben wir die Route entlang dem Wasser gewählt, obwohl klar ist, dass es viel Verkehr hat. Gleich nach Dong Ha können wir uns von der 1A verabschieden und die kleine Küstenstrasse nehmen. Ganz nach unserem Geschmack – ein Glücksgriff! Nach einigen Geraden durch Sanddünen windet sich das Strässchen durch einen Gemüse- und Gewürzgarten, der kaum schöner sein könnte. Vietnam gehört zu den bedeutendsten Pfefferproduzenten – hier wachsen sie, die herrlich scharfen Früchte, die Pit so gerne mag (vor allem die grünen).
Zwei Tage später überzieht der Himmel sich nachmittags mit einem schmutzig-grauschwarzen Leintuch, böiger Gegenwind fegt Gewitterwolken über unsere Köpfe und Plastikmüll über die Strasse; die ersten Tropfen klatschen ins Gesicht. Nach Monaten ohne Regen (nur einmal in Thailand) haben wir beide irgendwie keinen Bock, Jacken anzuziehen. Eine halbe Stunde später sind wir pitschnass, Hose und Hemd kleben am Körper, die Füsse baden in den Schuhen – herrlich, endlich mal wieder Regen auf der Haut! Dank angenehmen 27 Grad frieren wir nicht und später setzen die heisse Dusche und ein leckeres Nachtessen einen wohligen Schlusspunkt unter den Veloreisetag im Regen.
Die Vietnamesen begegnen uns offen und freundlich-neugierig, viele Dutzendmale am Tag rufen uns Kinder „Hallo, hallo“ zu. Wir glauben, dass uns Vietnam gefallen wird. Immerhin einen Monat lang werden wir im sozialistischen Staat, unserem 36. Veloreiseland, Spuren hinterlassen.
Zum Verkehr lässt sich kaum mehr sagen als wir unter „China“ schon geschrieben haben, allenfalls, dass hier alles noch lauter zu und her geht. Doch, doch, das ist tatsächlich möglich. Das Hupen ersetzt die Verkehrsregeln, d.h., wer am lautesten und längsten kann, hat Vortritt, ganz einfach. Vom Lastwagen bis zum Roller, immer und überall wird auf die Tube gedrückt; uns fallen manchmal fast die Ohren ab wenn es direkt neben uns geschieht. Es MUSS laut zu und her gehen. Alltäglicher stundenlanger vietnamesischer Wahnsinn. Nur wer hier Rad fährt kann verstehen, wovon wir reden.
In diesem Teil Vietnams sehen wir praktisch keine ausländischen Touristen, entsprechend werden die zwei Velofahrer aus Switzerland gemustert. Leider kommt selten ein Gespräch zustande, weil kaum jemand etwas Englisch spricht. Immerhin versuchen ab und zu Schülerinnen, die mit ihren E-Bikes unterwegs sind, ihr gebüffeltes Englisch an die Frau zu bringen. Bea ist immer eine willkommene Adresse. Wir geniessen die Kontakte, und sei es nur für ein „What’s your name?“
Interessant, dass es gegenüber Thailand (vor allem) und Laos keine Strassenküchen gibt. Selbst Restaurants machen sich rar auf unserer Tour. Offenbar wird in Vietnam zu Hause gegessen. Das Essen ist öfter kalt dafür ist das Bier fast immer warm. Ein paar Eiswürfel schaffen da Abhilfe. Wer den ganzen Tag warmes (manchmal beinahe heisses) Wasser trinken muss, findet Bier mit Eis ganz ok.
Lebensmittel einkaufen? . . . leider nicht viel besser möglich als in Laos, was uns doch wundert. In grösseren Orten findet sich nach einigem Suchen meist ein Supermarkt, allerdings fehlen die Kunden. In Dong Ha machen die drei Verkäuferinnen extra für uns Licht im grossen Laden. Dafür können die zahlreichen Verkaufspaläste für Handys, Motorräder und Autos nicht protzig genug an der Strasse stehen. Offenbar ist doch Geld vorhanden.
Essen und Einkaufen ist tatsächlich ein Dauerthema bei Radfahrern (wir schreiben ja immer wieder davon), mit dem sich andere Touristen in zwei oder drei Wochen Urlaub kaum je herumschlagen müssen. Sie hoffen allenfalls nicht mehr als ein, zwei Kilo zuzunehmen, angesichts der Buffets mit Leckerem in den schicken Hotels am Badestrand, während dem wir uns ständig bemühen müssen, genügend Kalorien zu futtern um nicht noch mehr abzunehmen. Nicht dass wir uns mit weniger auf den Rippen unwohl fühlen würden, ganz im Gegenteil. Nur zehren ein paar Tage Magenprobleme rascher an den Kräften als wenn Reserven da sind. Velofahreralltag . . .
Nach neun Tagen Fahren ohne Pause, mit einigen schönen kurzen Abschnitten und viel Verkehr auf längeren Strecken, ist Halong City erreicht. Die Halongbucht, DAS Highlight jeder Vietnamreise (gemäss Reiseführer), mit ihren 1969 hohen Kalksteinfelsen, seit 1994 im UNESCO Weltnaturerbe, haben wir vom Hotelzimmer aus direkt vor der Nase. Und was für uns mindestens so toll ist, es gibt kaum zwei Steinwürfe weg ein tolles Einkaufszentrum mit allem, was der Magen begehrt und seit Wochen, ja Monaten vermisst: Brot, Käse(!), Wurst (sogar Salami in plombierter Box, für uns zu teuer), Oliven, Wein, Schokolade (im abgeschlossenen Glasschrank!) und einiges mehr. Absolut obergenial!! Wir werden anstelle auswärts dinieren das eine oder andere Picknick im Hotelzimmer geniessen und uns drei Tage erholen bevor die Schlussetappen nach Hanoi unter die Räder genommen werden.