Heisse 200 Kilometer zwischen Maschad und Seraks.
Heisse 200 Kilometer zwischen Maschad und Seraks.

Langer Abschied aus dem Iran

Mit dem chinesischen Visum im Pass verlassen wir Tehran am Dienstagabend, 5. August 2014, mit dem komfortablen VIP-Bus Richtung Maschad. Die Abreise um zwei Tage hinauszuzögern um die noch fehlende Reiserlaubnis für das Reich der Mitte zu organisieren, hat sich gelohnt. Kein Visum war bisher einfacher zu erhalten, als das chinesische (siehe Text unten).

Fast 1000 heisse, eintönige Wüstenkilometer mit Gegenwind, kaum landschaftliche Abwechslung, wenig Möglichkeiten sich mit Wasser und Lebensmitteln zu versorgen und starker LKW-Verkehr haben den Entscheid einfach gemacht, mit dem Bus zu reisen. Sechseinhalb Wochen Persien werden es bis zur Ausreise nach Turkmenistan sein, länger als geplant. Wir haben die Fahrscheine online ausgedruckt und telefonisch angekündigt, dass zwei Velos und viel Bagage mitreisen. Kein Problem, wird uns bestätigt. Am Busterminal im Nordwesten von Tehran machen die beiden Buschauffeure erst mal ratlose und wir lange Gesichter. Das Gepäckabteil ist rappelvoll mit Kisten, kein Platz für die Velos. Sie müssten Gepäck in den Bus umschichten und für die Velos wäre sowieso ein Fahrpreis zu entrichten. Ist uns klar, kein Problem; die Räder müssen einfach mit. Zwanzig Minuten später sind die Kartons verstaut und unsere Velos samt Taschen in den Bauch des VIP-Riesen gezwängt, 1 Million Rial wechseln die Besitzer; wir sind durchgeschwitzt und dreckig. Trotzdem zufriedene Gesichter bei allen und ein kameradschaftliches Schulterklopfen; schliesslich sind wir im Iran, da ist vieles möglich.

Zwölf Stunden dauert die ruhige Nachtfahrt. In Maschad, der zweitgrössten Stadt im Iran und wichtiges religiöses Zentrum, erwartet uns ein Warmshowers für eine Übernachtung - wie könnte es anders sein - am anderen Ende der City. 16 Kilometer durch dichten Verkehr schlängeln, quer durch die ganze Stadt. Trotz mehrerer SMS und Anrufen auf dem Handy (unterstützt von hilfsbereiten, jungen Iranern), erreichen wir unseren Gastgeber nicht. Mist, was tun? Warten stinkt uns. Möglichst aus der Stadt raus, einen Zeltplatz suchen – vielleicht in einem Park? – und morgen früh sehr zeitig los. Den Park finden wir, leider ist zelten nicht erlaubt. Kein Problem, meinen die beiden Aufpasser, setzten sich auf das Motorrad und fordern uns auf, ihnen zwei Kilometer zu einem anderen Park zu folgen. Über vielbefahrene Schnellstrassen und riesige Kreuzungen (das kostet Nerven!) führen uns die beiden wieder in die Stadt; genau das, was wir vermeiden wollten. Von wegen zwei Kilometer, ganze zwölf sind es bis zum besagten Park! Wir sind stinksauer auf uns selber, müde, verschwitzt und schwören uns (wieder mal), keine solchen Manöver mehr zu machen. Der Park, in dem viele Iraner mit ihren Familien zelten, kann nur durch einen Eingang, ca. einen Kilometer weiter oben, betreten werden. Pit ist kurz vor dem Ausflippen . . . OK, einen Kilometer noch, dann ist endgültig Schluss!  Hadi, ein begeisterter Radfahrer, weist uns den Weg. Wir dürfen am Abend bei ihm und seiner Familie Gäste sein, was wir sehr geniessen. Unsere letzte private Einladung im Iran.

Zweihundert meist flache Wüstenkilometer sind es bis Seraks an der turkmenischen Grenze. Zwei Tage auf dem Velo. Zwei Tage Hitze, Staub, kein Schatten, die es in sich haben. Um 6.30 Uhr treten wir kräftig in die Pedale. Bis zehn Uhr ist es angenehm zu fahren, dann wird der Backofen bis mittags auf 46 Grad hochgedreht, die Zungen kleben als gefühlte pelzige Klumpen im Mund, Schweiss rinnt brennend in die Augen. Nach langem Suchen endlich etwas Schatten hinter einer Mauer im Nirgendwo. Bis am Abend fliessen 18l (vielleicht mehr) heisses Wasser und fast kochende Cola durch unsere Kehlen. Egal, Hauptsache flüssig. Wir sind überrascht, wie gut wir die Hitze doch vertragen (Pit etwas besser als Bea).

Nach langen 100 km finden wir müde, ausgelaugt und mit hängenden Ohren in einem kleinen Ort einen Platz unter freiem Himmel zum Schlafen. Vor einer kleinen Moschee nahe der Strasse dürfen wir für eine Nacht bleiben. Liegematten und Schlafsäcke genügen. Es ist erst kurz vor Neun, wir dösen und bewundern den Sternenhimmel, wird die Idylle jäh von Blaulicht und Sirenen unterbrochen. Zwei Polizeipatrouillen fahren vor. Hier sei militärisches Sperrgebiet, übernachten im Freien verboten. Das Militär habe Schiessbefehl und darum sei es für uns zu gefährlich. Gut zwei Kilometer ausserhalb des Dorfes, bei der neuen grossen Moschee, dort könnten wir im Tschador (Zelt) eine Nacht bleiben. Also alles zusammenpacken und mit Polizeieskorte retour. Wir schlafen unter gleissendem Scheinwerferlicht wie Murmeltiere, ohne Zelt. Die letzten Iraner, die den Abend mit Familie und picknickend auf dem grossen Platz vor der Moschee verbracht haben, steigen morgen gegen 03.00 in die Autos. Andere Länder, andere Sitten.

Der Grenzübertritt am übernächsten Morgen besteht vor allem aus Warten. Die Iraner lassen uns nach einer Stunde fahren (wollen den Inhalt von je zwei Taschen sehen); die Turkmenen sind höflich, bieten uns gar Stühle an, und nach weiteren zwei Stunden und Stichproben (Zelt und Schlafsäcke auspacken) bedeuten sie uns, dass wir entlassen sind. Englisch spricht hier niemand. Wir sind positiv überrascht von der zwar langen, aber korrekten Abfertigung. Kursieren doch im Internet diverse Schauergeschichten über Schikanen am turkmenischen Zoll.

Bei Mojdeh und Mahmood zu Hause.
Bei Mojdeh und Mahmood zu Hause.

Abarkooh - die Entdeckung für uns

Der Zwischenstopp in Abarkooh hat sich absolut gelohnt. Die Überreste der alten Festung mitten in der Stadt, gänzlich aus Lehm gebaut, sind eindrücklich. Noch immer ragen die Türme behäbig in den Himmel und lassen ahnen, wie wehrhaft die Anlage einst war. Faziniert hat uns ein frisch renoviertes, sogenanntes Eishaus. Im Herbst wurde Wasser in den mächtigen Kegelbau geleitet, das im Winter zu Eis gefror um dann im Sommer Lebensmittel über lange Zeit haltbar zu machen. Wie uns Reza erzählt, gibt es in Abarkooh uralte Zypressen, die offenbar zu den ältesten Bäumen weltweit gehören; staunend stehen wir vor dem mächtigsten Exemplar, das mehr als 4000 Jahre alt sein soll.

Yazd wird zu unserem absoluten Favoriten auf der Reise in irans Süden. Die Altstadt mit ihren alten Lehmhäusern, engen Gässchen, den zahlreichen Windtürmen und den farbenprächtigen Moscheen ist sehr sehenswert und zu Fuss gut zu erkunden, vor allem wenn man, so wie wir, bei 45 Grad jedem noch so kleinen Schatten nachschleicht. Die Hitze ist sehr trocken und wir vertragen sie besser, als erwartet. Sind gespannt, wie das im Velosattel wird.

Nach einer letzten Übernachtung in Kaschan hält unser Bus am frühen Abend am Terminal Süd in Tehran. Erlebnisreiche elf Tage liegen hinter uns.

Übermorgen holen wir das Turkmenistan-Visum ab und am Sonntag geht es, vorerst mit dem Zug, weiter Richtung Maschad, nahe der turkmenischen Grenze.

 

Kaschan, Noghli Traditional Home, gemütliches Hotel mit tollem Innenhof in der Altstadt, www.noghlihouse.com

Si-o-se Pol, die 33-Bogenbrücke in Isfahan.
Si-o-se Pol, die 33-Bogenbrücke in Isfahan.

 

Persische Perlen in der Wüste

Mit den komfortablen Überlandbussen die südlichen iranischen Städte bereisen ist einfach, preisgünstig und ein Erlebnis. Wir wollen uns für Isfahan, Shiraz, Yazd und Kashan ca. zwölf Tage Zeit nehmen, mit der Option, die Pläne jeden Tag anzupassen – ganz wie es kommt, wen wir treffen und länger zu bleiben, wo es uns grade gefällt.

Für die fast acht Stunden klimatisierte Fahrt über 450 Kilometer nach Isfahan, wir reisen tagsüber um etwas von der Wüste zu sehen und beim Zwischenhalt so richtig ins Schwitzen zu kommen, sind am Busterminal in Tehran Fr. 15.75 fällig – für zwei Personen, wohl gemerkt. Für diesen Preis bekommt jeder Fahrgast Reiseproviant (Waffeln, trockene Bisquits, Fruchtsaft, Trinkwasser) und eine für uns mühsame iranische Soap am Bord-TV. Wir geniessen das eine und nicken beim anderen regelmässig ein.

Wie im Wetterbericht gemeldet, klettert das Quecksilber in den nächsten Tagen auf satte 41Grad (in Shiraz) was sogar die Iraner als heiss empfinden. So oder so, wir lassen uns nicht von Besichtigungen abhalten, schleichen den Schatten nach und trinken flaschenweise alkoholfreies HeyDey-Bier mit Lemongeschmack (diskret auf der Strasse oder dann im Hotelzimmer – der Ramadan dauert noch bis zum 28. Juli).

In Isfahan finden wir Unterschlupf beim Warmshowers Ahmad. Zwei junge Oesterreicher und ein Pärchen aus Estland sind bereits seine Gäste. Im Lauf des Abends gesellen sich noch zwei Iraner zu uns. Die einen reisen am nächsten Tag ab, dafür kommen morgens und vier drei Polen unangemeldet. Kein Problem, Ahmad liebt es Gäste zu haben und schläft darum regelmässig auf dem Teppichboden, wie wir anderen auch.

Isfahan ist eine moderne Zweieinhalb-Millionen-Stadt. Uns fehlt das orientalische Flair, vielleicht auch weil wegen Feiertagen viele Moscheen nicht zugänglich sind und der grosse Bazar, einer der ältesten im Iran, geschlossen bleibt. Die Si-o-se Pol, die 33-Bogen-Brücke, wird nachts malerisch beleuchtet und ist eines der Wahrzeichen Isfahans. Allerdings ist das Flussbett, bedingt durch einen Streit um Wasser mit der Stadt Shiraz, völlig ausgetrocknet. Die Erwartungen auf Isfahan, „nesf-e dschahan – Isfahan ist die Hälfte der Welt“ sagt ein persisches Sprichwort, waren gross, offenbar zu gross. In dieser Hälfte der Welt bleiben wir dann auch nur knapp zwei Tage.

Acht Stunden Busfahrt können sehr lang sein, nach Shiraz ist sie für uns kurzweilig und sehr angenehm. Nach und nach geht die Landschaft um uns herum in Wüste über. Nur vereinzelt und sehr begrenzt gibt es etwas Grün, ein paar Häuser, vor allem aber weite Ebenen, die in Abständen von hohen kahlen Bergen durchbrochen werden. Die schnurgerade Strasse flimmert in der Hitze. Heisser Wüstenwind lässt Windhosen tanzen und vor Shiraz wird der Horizonnt schmutzig graubraun, nimmt der Sonne ihren Glanz. Vermutlich ein Sandsturm.

Auf unsere Anfrage hat sich Warmshowers Reza gemeldet. Nach einer Nacht im Hotel ziehen wir zu ihm und seiner Familie an den Stadtrand. Wie angenehm lässt sich Shiraz im Auto und mit einem kundigen Führer erleben. Die südlichste Stadt auf unserem Trip bietet einiges, gefällt uns besser als Isfahan. Der alte Bazar mit seinen Gerüchen, Farben, neugierigen Händlern, zieht magisch an. Die langen, oft engen Gänge, die vielen Abzweigungen, so dass man rasch die Orientierung verliert – etwa so muss es Jonas im Bauch des Wals ergangen sein.

Abends gibt es erst mal Party bei Ali, einem Freund, im riesigen Garten. Gefeiert wird gerne und viel im Iran. Die Nacht wird zum Tag; wir kommen in den nächsten Tagen nie vor 01.30 in den Schlafsack. Auf dem Weg nach Yazt müsst ihr unbedingt bei meinem Onkel in Abarkooh Halt machen, bittet uns Reza. Die Stadt besitze viel Sehenswertes und seine Familie wolle uns auf jeden Fall kennen lernen. Yazt, unser nächstes Ziel, muss also warten. Wie seltene Vögel werden wir herumgereicht, haben zunehmend Mühe zu verstehen, wer mit wem wie verwandt ist – acht oder gar elf Geschwister sind keine Seltenheit - und immer wieder heisst es essen und trinken, erzählen woher, wohin, ob wir Kinder haben und wie alt sie sind und wie uns der Iran gefällt. Unsere kleinen Fotobüchlein aus der Heimat sind heiss begehrt und das Gelächter ist jedesmal gross, wenn unsere Freunde feststellen, wie wir uns seit Reisebeginn verändert haben, sprich schlanker geworden sind. („You have been so popol !“)

Wir geniessen die Stunden sehr und sind uns bewusst, dass es ein grosses Privileg ist, privat eingeladen zu werden. 

 

Shiraz, Niayesh Boutique Hotel, schön gelegen in der Altstadt, Alley 4, Namzai, www.niayeshhotels.com

Yazd, Silk Road Hotel, in der Altstadt, mit schönem Innenhof und Restaurant, Nr. 5, Tal-e Jaame Street, www.silkroad_hotel.ir

 

Tehran, iranische Eigenheiten und Blasen an den Füssen

Der Iran ist ein riesiges Land (ca. 40 x so gross wie die Schweiz) und in einem Monat, neben der Rumrennerei und -fahrerei für die Turkmenistan- und Usbekistanvisen in der Hauptstadt, schlicht nicht annähernd zu erkunden. Wir wollen uns Zeit nehmen und wenigsten ein paar der schillernden alten Städte mit grosser Geschichte wie Isfahan, Yazd, Shiraz und Kashan mit dem Bus (schon wieder ohne Velos) erleben. Die grossen Distanzen, bis Schiraz sind es immerhin 850 km backofenheisse Wüstenpisten mit bis zu 45°C im Sommer, sind mit dem Velo im Frühling und Herbst sicher ein Erlebnis. Grillen ja, aber lieber eine Wurst auf dem Rost als unsere Birnen in der Wüste.

So gross wie das Land ist im Verhältnis die Hauptstadt. Ohne (günstige) Taxis, Busse und Metro sind die weitab liegenden Botschaften von Turkmenistan und Usbekistan kaum zu erreichen. Noch dazu, weil die Stadt im Norden ansteigt und das Velofahren, neben dem enormen Verkehr, gehörig in die Knochen geht. Die Temperaturen liegen mit satten 35 Grad und mehr etwas über dem Wohlfühlwert von uns. Trotzdem, lieber heiss als so gruusiges Hudelwetter wie letztes Jahr über Wochen in Norwegen.

Bald ist klar, 30 Tage Aufenthalt reichen nicht. Das Verlängern der Visa, wir probieren zusätzlich einen Monat zu bekommen, geht auf der Ausländerpolizei in Tehran ohne Probleme. Der Chef persönlich überreicht uns die Pässe nach gut zwei Stunden. Toll, ab durch die Wüste!

Iranische Eigenheiten

Wie am Anfang erwähnt, ist im Iran vieles anders, als bisher erlebt. Bea kommt in der Zwischenzeit mit dem Kopftuchtragen, ist für alle Frauen vorgeschrieben,  gut klar und hat mit ihren hellen Kleidern doch einen entscheidenden Vorteil gegenüber den vielen Frauen, die den schwarzen Tschador tragen. Kleidervorschriften gibt es ebenfalls für Männer, so u.a. im Alltag lange Hosen zu tragen (Sport ausgenommen).

Höllisch aufpassen müssen wir beim Geld ausgeben (sowieso immer, klar). Nicht, weil die Preise hoch wären, sondern weil mit grossen Summen herum hantiert wird und das Konterfei von Ayatollah Khomeini fast auf allen Banknoten zu finden ist und die Farben der Geldscheine sehr ähnlich sind. Wenn der Zeitungshändler „give me a Khomeini“ ruft, dann ist das nicht respektlos gemeint, sondern er will lediglich eine blaue 20´000 Rialnote für das Tehraner Tagblatt, also 70 Rappen. Um das Geldausgeben noch mehr zu erschweren, gibt es neben dem Rial noch den alten Toman (1000 Rial = 100 Toman). Sind die Gurken nun in Rial oder Toman angeschrieben? Was meint der Taxifahrer, wenn er für den Fahrpreis zehn Finger aufstreckt? In Farsi geschriebene Zahlen zu lesen ist für uns eh schwer - wir kommen beim Bezahlen regelmässig ins Schwimmen.

In der Hauptstadt gibt es eine moderne U-Bahn, die viel genutzt wird, u.a. auch von zwei Schweizern. Aber Achtung, vorne und am Schluss gib es Wagen nur für Frauen (Sektoren sind bereits auf dem Perron markiert). Frauen dürfen überall einsteigen, Männer nur in den übrigen Wagen. Bei den Stadtbussen ist es etwas anders. Ist der Fahrer männlich, sitzen die Frauen hinten. Fährt eine Frau – das gibt es tatsächlich – genau umgekehrt.

Auf den Strassen gelten besondere Regeln, nämlich, wie uns scheint, gerade die, die jeder für angebracht hält. Steht die Ampel auf Rot, halten die Autos, aber nicht unbedingt die Motorradfahrer. Wer auf einem Vortritt beharrt, riskiert einen Crash, wer anderen den Vortritt lässt, riskiert ein Hupkonzert oder steht bis am Jüngsten Tag an einer Kreuzung. Goldene Regel für Fussgänger und absolut einzuhalten: Immer langsam über die Strasse, keine hastigen Schritte vor oder noch schlimmer zurück und auf keinen Fall warten, dass Autos anhalten. Das gibt es nicht. Sie fahren mit grosser Wahrscheinlichkeit in Schlangenlinie um jeden Passanten herum. Und das Tollste ist, dass das ganze „System“ auch wirklich funktioniert! Kaum hupen, kein fluchen, kein Vogel machen oder dergleichen. Jeder nimmt Rücksicht. Selten haben wir einen so unaufgeregten Verkehrslauf gesehen.

 

Unser Freund Shayan ist ein begeisterter Kletterer und Berggänger, der die Natur über alles liebt. Ob wir mit ihm und Freunden eine mehrtätige Tour in der bergigen nördlichen Provinz Gilan machen wollen? Aber klar, wir sind dabei, nichts ahnend, auf was wir uns einlassen. Unsere Bergausrüstung ist, mit Verlaub, bescheiden.

Aus drei easy Wandertagen (so Shayan) werden dann vier lange happige (so Bea) und zum Dessert gibt’s einen heiklen nächtlicher Abstieg bei Nebel. Wanderwege wie in der Schweiz gibt es nicht. Allenfalls unmarkierte, steileTrampelpfade über Stock und Stein und durch meterhohen Farn, Dornen und Brennesseln und immer mal wieder durch Bäche. Pit nimmt gleich zu Anfang ein unfreiwilliges Bad. Lange Nächte am Lagerfeuer, weite Alpweiden mit vielen friedlichen Schafen und Zähne fletschenden Hirtenhunden und gastfreundliche Schäfer machen die lange und harte Tour trotzdem zum Erlebnis. Wer kann so was als Touri im Iran schon erleben? Merci Shayan, für das Organisieren.

Visa-Bürokratie für 35 Tage Landesaufenthalt

Gleich vorneweg: Wir wollen keine Tipps für das Beschaffen von Visas in Teheran geben sondern lediglich beschreiben, wie wir das erlebt haben. Alle Angaben, die wir vorher aus dem Internet von anderen Radfahrern gesammelt haben, waren hilfreich. Leider wechseln die Bedingungen so rasch wie Tag und Nacht und was heute gilt, ist morgen alter Käse.

Die Usbeken verlangen einen LOI (einen letter of invitation) oder ein Botschaftszertifikat. Auf dem Schweizer Consulat bekommen wir so einen Brief in kurzer Zeit von einer sehr netten Dame ausgehändigt. Bevor das Transitvisa für Turkmenistan (gilt nur 5 Tage, mit genauem Einreise- und Ausreisedatum), unser nächstes Reiseland, eingeholt werden kann, muss das Visa für Usbekistan, das übernächste Land, vorliegen. Bedingung der Turkmenen, da gibt es nichts zu rütteln. Nach einer Stunde mit Metro und Taxi (der Fahrer kurvt eine Viertelstunde herum, bis er die Adresse endlich findet) stehen wir vor dem Tor des usbekischen Konsulats und tragen uns in den Fresszettel an der Türe ein. Warten. Wir sind die Nummer 9 auf der Liste. Die nette Dame im ersten Stock nimmt unsere Unterlagen entgegen; in einer Woche dürfen wir wiederkommen, den Pass und 150 Dollar abgeben und zehn Minuten später klebt die grüne Bescheinigung auf Seite 14. Wir sind erst mal glücklich!

Bei den Turkmenen läuft das Ganze anderntags zäher ab. Wir sind, guter Tipp im Internet, etwas vor der Öffnungszeit morgens um 9 Uhr da. Der „Schalter“ besteht aus einer 50 x 30 cm grossen Öffnung im Lamellen-Fensterladen rechts der Eingangstüre. 9.15 Uhr, die Klappe wird endlich geöffnet. Der etwas mürrische Mann drückt uns zwei Personalblätter in die Hand und bestätigt, dass die Visakopie der Usbeken vorliegen muss. Wir zotteln ab und stehen eine Woche später mit den verlangten Kopien wieder vor dem Loch. Was nun noch fehlt und Bea rasch auf der Sitzbank neben der Botschaft schreibt, ist eine Absichtserklärung, warum und wann wir Turkmenistand durchqueren wollen, wer wir sind, welchen Grenzübergang wir nehmen. Zwei Minuten bevor das Brett vorgeschoben wird, ist auch das geschafft. Mit der knappen Antwort „kommen sie in einer Woche wieder“ sind wir entlassen. Puuhhh, auch das wäre soweit auf dem Schlitten.

Übermorgen nehmen wir den Bus nach Isfahan. Uns ist, als hätten wir Ferien nötig.

 

Was man nicht vermuten würde: Im Iran gibt es tolle Skigebiete.
Was man nicht vermuten würde: Im Iran gibt es tolle Skigebiete.

Persische Gastfreundschaft

Trotzdem uns Ali und Mohammed den Aufenthalt in Täbris sehr angenehm gemacht haben und die alte Stadt an der Seidenstrasse einiges zu bieten hat, verlassen wir die Metropole im Westen von Persien gerne. Zum Velofahren sind so grosse Städte schlicht und einfach stressig, auch wenn hier im Iran rücksichtsvoll gefahren wird. Nach wie vor ist super Wetter angesagt. Trotzdem die Sonne vom Himmel brennt und weit und breit kein Schatten auszumachen ist, fährt sich´s angenehm. Das liegt zum einen am Wind, der, wie könnte es anders sein, mal wieder auf frontal macht und verhindert, dass wir übermütig werden. Zum anderen steigt die Strasse immerzu an und überrascht stellen wir beim Blick auf das Navi fest: wir sind auf 2150 m ü.M. geklettert. Wo´s rauf geht, geht´s auch wieder runter. Bis Bostanabad sausen lassen und dem Wind die lange Nase machen – was gibt es schöneres!

Was Iraner sehr lieben und vor allem am Wochenende mit Kind und Kegel ausgiebig pflegen, ist picknicken. Überall neben der Strasse parken Autos, da und dort rauchen Feuer und wenn die versammelten Familien uns bemerken, dann wird oft gewunken, wir sollen uns zu ihnen setzen. Wir könnten uns an Wochenenden ohne Problem gratis durchfuttern, wenn da nicht der Zeitdruck wäre, vorwärts zu kommen. Wie schnell ist ein Monat um (wir hoffen, das 30-Tage-Iranvisum verlängern zu können). Äusserst beliebt sind Parkanlagen zum Picknicken. Die gibt es in jedem Ort, so auch in Bostanabad. Und was besonders toll ist, man darf da auch eine Nacht sein Zelt aufbauen, wovon wir jetzt mal Gebrauch machen. Die Nacht wird dann nicht ganz so ruhig. Das liegt zum einen am Fastenmonat Ramadan – essen und trinken ist ab 21 Uhr bis morgens um 8 Uhr erlaubt und bringt nachts Betrieb in den Stadtpark – und zum anderen haben die Iraner ein Länderspiel im Volleyball gewonnen(?), was mit Hupkonzerten bis weit nach Mitternacht gefeiert wird.

In den ersten Tagen nach Täbris „geniessen“ wir Abgase pur. Die alten Lastwagen auf irans Strassen, und von denen gibt es viele, russen uns völlig ein, während die (gebührenpflichtige) Autobahn, mal links mal rechts von uns, mit wenig Verkehr in der Sonne glänzt.

Vor Miyaneh treffen wir Xenia und Severin, ein deutsch-schweizerisches „Radlduett“ (radlduett.wordpress.com) mit ihrem Pino auf der noch langen Rückreise in die Schweiz. Seit Armenien die ersten Tourenfahrer, die wir treffen. Überraschungen gibt es überall: mit Xenia haben wir gemeinsame gute Bekannte in der Heimat! Die Welt ist ein Dorf. Die Pause hat uns gut getan; schön, euch getroffen zu haben, Xenia und Severin.

Wir durchfahren nur sehr wenige Dörfer. Die Gegend ist dünn besiedelt, es gibt praktisch keine Industrie, dafür Reisfelder, etwas Gemüseanbau aber vor allem Obst und Früchte in allen Variationen. Mit grossem Aufwand wird der Trockenheit getrotzt und bewässert was das Zeug hält. Wasser gibt es offenbar genügend, es muss aber mit Pumpen gefördert und mit einem ausgeklügelten System auf die Feder verteilt werden. Das Rattern der Zweitaktpumpen begleitet uns jeden Tag in endlosem Takt. Nur entlang der Flussniederungen ist es saftig grün, wachsen in kleinen Gruppen Laubbäume und etwas Gras. Der grüne Streifen geht abprupt in Halbwüste über, nur da und dort flimmert ein dorniger Busch in der Hitze. Früh müssen wir uns um genügend Trinkwasser kümmern, morgens etwas Essbares einkaufen. Im Fastenmonat Ramadan sind alle Restaurants und Imbissbuden tagsüber geschlossen.

Die Landschaft wird zunehmend flacher, der Wind heisser, der Verkehr nimmt ab, nur die Menschen bleiben gleich offen und suchen den Kontakt. Das letzte Lager vor Zanjan dürfen wir bei einem Bauern in seinem Obsthain aufschlagen. Und weil er offenbar spürt, dass Pit Äpfel gerne mag, ist völlig klar, dass wir uns direkt vom Baum bedienen dürfen. Abends gibt’s erstmals Regen, begleitet von Blitz und Donner, der unserer Kocherei unter freiem Himmel ein Ende macht. Egal, gemütlich ist es im Zelt allemal und das Nachtessen, Teigwaren an Tomatensauce, verfeinert mit einer Büchse Ton, ist mit den ersten Tropfen gerade noch fertig geworden und schmeckt himmlisch. Am anderen Morgen sehen Velos und Zelt weniger himmlisch aus. Regen und staubige Luft haben unsere Ausrüstung mit einer lehmgrauen Patina überzogen, die so richtig schön haftet.

Schon lange vor Tehran, in der Hauptstadt leben mehr als 15 Mio. Menschen, gibt es grosse Vorstädte mit viel Industrie und noch mehr Verkehr. Das wollen wir uns nicht antun und beschliessen die bequeme Tour, uns nämlich mit dem Überlandbus klimatisiert in die Metropole chauffieren zu lassen. Für die ganz angefressenen Radler und Unding, wir erlauben uns heute die Ausnahme von der Regel. Ein Motorradfahrer lotst uns durch den dichten Verkehr bis an den Stadtrand zum Busterminal. Da ertönt unvermittelt die Aufforderung „please, Cay!“. Mitten auf dem Trottoir sitzend geniessen wir mit einem Polizisten, der heute frei hat, einen feinen Schwarztee mit viel Zucker. Wieso wollt ihr mit dem Bus nach Tehran? Ich habe Zeit und fahre euch doch gleich mit meinem PW hin, sind ja nur gut 300 Kilometer(!). Das ist dann doch zu viel des Guten. Wir lehnen danken ab und sitzen 20 Minuten später – welch ein Glück – schon im kühlen Bus. Im Iran scheint Gastfreundschaft kaum Grenzen zu kennen. So ein tolles Gefühl, hier sein zu dürfen.

Tägliche Begegnungen im Iran

Kurz nach der Grenze, im Asratal.
Kurz nach der Grenze, im Asratal.

Islamische Republik Iran

Die Grenze Armenien-Iran wird elektrisch und zusätzlich mit Stacheldraht gesichert. Da und dort ist Militär zu sehen, die Wachtürme sind besetzt und wer Richtung Meghri und Grenzübergang fährt, muss sich an Kontrollposten ausweisen. Das enge, nur in Flussnähe grüne Asratal mit seinen schroffen Berghängen und der erdbraune tosende Grenzfluss geben der Region zusätzlich etwas Beklemmendes. Nach Tagen im grünen, ruhigen Armenien ist der Szenenwechsel für uns sehr speziell.

Bereits nach einer Dreiviertelstunde liegt die Grenzkontrolle hinter uns. Während die Armenier darauf bestanden, unser Gepäck durch den Scanner zu schleusen, wollte der nette iranische Beamte lediglich wissen, was wir dabei haben. Nach fünf Mal Pass vorzeigen am iranischen Zoll entlässt er uns mit einem „welcome to the Iran“.

Im Iran ist alles anders. Obwohl wir erst mal nur 50 Dollar wechseln – für Ausländer gibt es keine Möglichkeit, Bargeld an Bankomaten zu beziehen oder mit Kreditkarten zu bezahlen – schiebt uns der Mann am Schalter 1,3 Millionen Rial zu. Zum Glück sind wir zu zweit um den dicken Packen Bargeld zu verstauen. Ein Mittagessen mit Getränken für uns zwei kostet ca. 160´000 Rial, also etwa Fr. 6.­-.

Die karge, in allen Braun- und Rottönen leuchtende Landschaft mit ihren sanften dann wieder steil abfallenden Berggipfeln und den interessanten Gesteinsschichtungen, da und dort von saftig grünen Obsthainen unterbrochen, fasziniert. Der kräftig böige Wind bläst uns Richtung Jolfa und macht die Hitze, andere Reisende reden von Backofen ohne Umluft, erträglicher. Beim Mittagshalt in einem kleinen Nest lernen wir Samira und ihre Freundin mit Mann kennen. Sie ist Englischlehrerin und freut sich sehr, Touristen aus der Schweiz zu treffen. Wir lachen viel zusammen und natürlich werden zum Abschied Fotos gemacht. Da fährt unvermittelt ein Pickup mit einer Polizeipatrouille vor. Passkontrolle. Haben wir etwas falsch gemacht? Nein, absolut nicht. Das sei normal und diene lediglich der Sicherheit von ausländischen Gästen, wird uns erklärt.

Abends in Jolfa treffen wir die drei zufällig wieder. Samiras Freundin und ihr Mann wollen ein Auto kaufen, da ist eine Ausstellung am Stadtrand willkommener Grund für einen Ausflug. Die Neuwagenpreise liegen etwas unter Schweizer Niveau. Für die meisten Iraner bleibt ein neues Auto trotzdem ein Traum. Bei einem Durchschnittsverdienst von ca. 400 Franken und Barzahlung (Autokauf auf Kredit ist nicht möglich oder nur zu sehr hohen Zinsen von ca. 20%) ist ein Neuwagen fast unerschwinglich.

Zu später Stunde, eine 10 kg Wassermelone ist gegessen und eine Wasserpfeife (Habbel Babbel genannt) geraucht, trennen wir uns vor dem Hotel mit dem Versprechen, sie beim nächsten Iranbesuch unbedingt zu besuchen. Drei Stunden dauert ihre Heimfahrt.

Ja, auch die Menschen sind anders im Iran. Ungemein offen, sehr gastfreundlich und immer um Kontakte bemüht, auch wenn die Verständigung schwierig ist. Mal werden uns mitten auf der Strasse kaltes Wasser und Kirschen angeboten, dann gibt’s Fotos und zum Dank von den Frauen eine stürmische Umarmung (nur für Bea), Passanten schütteln uns spontan die Hand und wünschen alles Gute auf der Reise, in einer Eisdiele bekommen wir die kalte Schleckerei offeriert und zum Abschied je eine Flasche wunderbar kaltes Wasser. Viele Autofahrer hupen zum Gruss oder fahren eine Weile neben uns her und freuen sich, dass wir ihr Land besuchen. „You come to the Iran, thank you verry much!“ wird uns zugerufen. Jeden Tag freundliche Worte, Gesten, Emotionen, die uns sehr berühren. Wir fühlen uns wirklich willkommen im 28. Land unserer Reise, dem Iran.

In Täbris, dem Hauptort von Ost-Asarbeidschan (Gemeint ist damit die iranische Provinz. Neben dem iranischen Farsi sprechen die Bewohner hier einen türkischen Dialekt), sind zwei Ruhetage angesagt. Nach den langen, heissen Tagen und den vielen Höhenmetern ist die Luft buchstäblich draussen. Heute, am 28. Juni, beginnt der Fastenmonat Ramadan.

Vielen Dank für die Mails! Das Internet ist z.Z. langsam und nicht immer verfügbar. Wir melden uns sobald es geht, sicher aus Teheran.

Chinesisches Visum in Tehran beantragen - so einfach geht das

Entgegen den ursprünglichen Absichten, uns erst in Kirgistan um das Visum für China zu kümmern, haben wir das doch noch in Tehran erledigt. Robin, ein junger Deutscher auf grosser Tour, hat uns den Tip gegeben, den Papierkram über eine Agentur zu machen, die gleich gegenüber der chinesischen Botschaft liegt. Der Rat hat sich als Volltreffer erwiesen. Mit minimalem Aufwand und innerhalb von zwei Tagen (Expressvisum, 140 USD für zwei Personen) hatten wir den begehrten Kleber für 90 Tage Aufenthalt in China im Pass!

Abgegeben haben wir: 1 Empfehlungsschreiben der Schweizer Botschaft, 2 Passfotos, den Pass

Die sehr nette Inhaberin der Agentur hat die Applications-Formulare gleich am Computer ausgefüllt (Personalien aus dem Pass, wann wir einreisen wollen und welche Stadt wir als bevorzugtes Ziel wählen, das war´s schon). Zwanzig Minuten später marschieren wir über die Strasse. Auf der chinesischen Botschaft werden die Anträge an mehreren Schaltern entgegengenommen. Wie lange wir denn im Land bleiben wollen? Wenn es geht, natürlich drei Monate (Maximum für Touristen). Sie schreibe das mal hin, sie könne allerdings nicht garantieren, dass drei Monate gewährt würden, meint die charmante Dame hinter dem Schalter, der wir die Pässe durchreichen. Es hat geklappt, wir sind absolut happy!!

 

Agentur „Mahdavi“,Movahed-e-Danesh Street 66, 2. Stock, Aghadasieh, Tehran

(Achtung, weder am Haus noch an der Türe ist ein Hinweis auf die Agentur angebracht!

Im gleichen Gebäude befindet sich eine Bank), Tel. +98 21 22290155

www.universalvisa.net, travel_2012@yahoo.com