Madagaskars Süden und Norden

 

Auf der Rückfahrt von Betampona am Faraony River erkunden wir einen Tag den Ranomafana NP zu Fuss. Regenwald, wie wir ihn lieben! Dass sich die Touristengruppen und Fotojäger zeitweise auf den Zehen stehen um den Lemurenfamilien möglichst nah auf den Pelz zu rücken, ist nicht nach unserem Geschmack. (Drei Lemurenfamilien beobachten uns Menschen auf der Tour neugierig. Was sie wohl von uns denken?) Was soll's, wir freuen uns auf den Isalo NP, 350 km weiter südlich. 

Auf der Strasse der Baobabs. Ein grosser Touristenmagnet.
Auf der Strasse der Baobabs. Ein grosser Touristenmagnet.

Die N7 – es gibt nur diese Hauptstrasse in den Südwesten Madagaskars – ist in überraschend gutem Zustand, was heisst, dass Fy, unser Fahrer, doppelt auf der Hut sein muss um die heimtückischen Löcher frühzeitig zu erraten, die es eben trotzdem gibt.

Die Farben der Landschaften ändern täglich, das Gelb-braun der steppenartigen Graslandschaft wird nur dort von grünen Bäumen und Palmen unterbrochen, wo es Wasser gibt. Reisanbau ist lediglich in der Regenzeit möglich, dafür rupfen grosse Zebuherden am dürren, harten Gras. Staubtrocken und im Sommer sehr, sehr heiss, das umschreibt den mittleren Süden Madagaskars am besten. Anfangs gebirgig, wird die Landschaft nun flacher. Die meisten Touristen fliegen aus Zeitgründen von Antananarivo nach Tulear an der Westküste. Wir geniessen die Autofahrten, gerade weil wir Zeit haben und uns das Dazwischen mindestens so interessiert wie der Zielort. Murah-Murah.

Eine wunderschöne, herrlich grüne Oase inmitten einer sehr trockenen Landschaft im Isalo NP.
Eine wunderschöne, herrlich grüne Oase inmitten einer sehr trockenen Landschaft im Isalo NP.

Isalo NP

In vier erlebnisreichen Tagen durchstreifen wir mit Xavier „seinen“ Park, in dem er zur Hauptsache als Guide arbeitet – wenn es Touris gibt, was während zwei Jahren infolge Corona nicht der Fall war. Harte Monate ohne Arbeit. Von der Regierung gab es keine Unterstützung. Manche Familie hat ihre Ersparnisse, die für die Schulbildung reserviert waren, aufgebraucht um über die Runden zu kommen. Einige haben Fahrräder, Smartphone, ja sogar Kücheninventar verkauft. 

Der Nationalpark bietet vor allem eine grandiose Naturkulisse. Die schroffen, filigranen, scharfen Felsformationen sind in ihrer speziellen Farbigkeit wunderschön. Ringelschwanzlemuren sonnen sich in der Morgensonne, Skorpione, harmlose Schlangen, Eidechsen, Vögel, kuriose Pflanzen, die der Dürre trotzen und nur hier vorkommen – wir geniessen die Tage im Park sehr. Abends, am Lagerfeuer, verwöhnt uns unser Koch mit Köstlichkeiten aus der madagassischen Küche. Strasse gibt es keine. Alles, was wir brauchen, inklusive Zelte, schleppen er und seine zwei Helfer über Kilometer zum Lagerplatz. Und weil das noch nicht genug ist, wird am Abend die Gitarre für ein exklusives Konzert ausgepackt. Irgendwann, vor Konzertende, rollen wir uns todmüde in die Schlafsäcke (Rum wärmt bei Einschlafen). Nachts wird es empfindlich kalt.

Solche einfachen Lastkarren sieht man fast in jedem Dorf und in kleinen Städten. Vorsicht, wenn die jungen Burschen mit Tempo abwärts preschen.
Solche einfachen Lastkarren sieht man fast in jedem Dorf und in kleinen Städten. Vorsicht, wenn die jungen Burschen mit Tempo abwärts preschen.

Ein Tag bleibt für den Besuch zweier tiefer Schluchten. Fast 150 Meter recken sich die Felswände dem Himmel zu. Eine komplett andere Welt tut sich auf. Glasklares Wasser ergiesst sich in natürliche Poole, saftiges Grün überall, Palmen, kühle Temperaturen. Interessant für uns, die Gräber in den Felsnischen hoch oben in den Felswänden, in denen Verstorbene aus den Dörfern der Umgebung ihre (vielleicht) letzte Ruhe finden.

Aber ein ganz spezieller, farbiger Höhepunkt wird die Hochzeit einer Nichte von Xavier in Ranohira, zu der wir als einzige Weisse eingeladen werden! Wir dürfen sogar bei der (zivilen) Trauung im engsten Familienkreis dabei sein, als Gäste auf Stühlen sitzend. Wie kommen wir zu einer solchen Ehre als Fremde? Traditionell sind die Familien mit sechs und mehr Kindern sehr gross. Gefeiert wird im Hof des Hauses des Brautvaters. Natürlich sind alle Gäste schick angezogen, die Frauen in hochhackigen Lackschuhen, denen der Staub der Strasse nicht gut bekommt. Nur wir zwei fallen in Wanderkluft aus der Rolle. Ja, wenn wir von unserem Glück gewusst hätten . . . 

Die letzten 240 Kilometer nach Tulear an der Westküste führen über lange Geraden durch staubtrockene, heisse Landschaften. Haben Kinder im mittleren Westen um Geld und später um Bonbons gebettelt, ist hier im Süden Trinkwasser das kostbarste Gut der Vieh hütenden Jugendlichen. Wir haben auf Anregung von Xavier Wasserflaschen gebunkert. Sie werden uns förmlich aus den Händen gerissen. Wir können nicht alle Bitten erfüllen. Ein spezielles Erlebnis, das unter die Haut geht. 

 

Ein Reinfall wird der Walwatching-Tripp mit einer Segel-Piroge in Ifaty. In der Nacht regnet es stark, heftiger Wind peitscht das Meer auf. Eigentlich sinnlos, hinauszufahren. Aber wir haben die Tour am Vorabend bezahlt und der Guide mit seinem Bootsmann will sich das Geschäft mit uns drei Gästen nicht durch den Wind vermiesen lassen. Einbäume sind selbstredend sehr schmal, wenigstens gibt es einen(!) Ausleger zur Stabilisation. Bea rutscht irgendwann vom schmalen Sitzbrett auf den Bootsboden. Wo sich die Wellen am Riff brechen, wird es richtig heftig. Inzwischen sind wir gefühlte 50 km auf dem offenen Meer, in Wahrheit knapp drei Kilometer. Irgendwo, weit weg, blässt ein Wal, was uns kaum vom Wendemanöver samt Segel setzen ablenkt. Hoffentlich hat der Bootsmann alles im Griff. Das heftige Schaukeln und Schlagen hinterlässt im Magen spuren. Für Bea wird es keine weitere Einbaumtour auf dem Meer geben. Da kann ein Wal noch so gross sein!

Bea hat es entdeckt, dieses gut getarnte Chamäleon.
Bea hat es entdeckt, dieses gut getarnte Chamäleon.

Vier Tage Piste, Ifaty – Morondava – Tsingy NP

Was so nüchtern daherkommt, wird zum 640 km Abenteuer in grossartiger Natur, sofern wir nicht gerade in der Staubwolke des vorne fahrenden Landcruisers die Piste suchen. Wir bilden mit einem zweiten Pickup einen kleinen Konvoi. Ist sicherer. Wer hier eine Panne hat, kann lange auf Hilfe warten. 

Fantastisch, endlich sehen wir die mächtigen Baobab-Riesen. Es sind keine Bäume, es sind Monumente der Natur, die landesweit geschützt sind. Die markantesten Riesen werden als heilig verehrt. Grossartig!!

Wir wundern uns, dass die Fahrer die Route nie aus den Augen verlieren. Gehts mal im Schritttempo über steile Rampen, durch Bäche und Schlammlöcher, treten die Fahrer kurz darauf aufs Gas und rauschen mit 90 km durch das Buschland. In einigen Dörfern haben die Einheimischen eine bequeme Einnamequelle entdeckt und verlangen Strassenzoll, da wir angeblich über ihr Land fahren. Auf der Route überqueren wir mit zwei Fähren grosse Flüsse. Wir staunen einmal mehr, mit welch einfachen technischen Einrichtungen effizient gearbeitet wird. Murah-Murah. Nur keine Eile.

 

Wie uns Xavier erzählt, werden nachts öfters Zebus von der Weide gestolen. Für die jungen Männer ist das eine Art Mutprobe, die allerdings tödlich enden kann, wenn sie erwischt werden. Heute begegnet uns eine Gruppe junger Männer, die bewaffnet auf der Suche nach Viehdieben die Gegend durchstreift. Traut man den Nachbarn nicht über den Weg, werden Reisfelder ebenso wie Bananenstauden bewacht, resp. die Früchte mit Farbe besprüht. Sehr speziell.

So schön können Heuschrecken sein! Ihr gefällts auf Pit's Bein!
So schön können Heuschrecken sein! Ihr gefällts auf Pit's Bein!

NP Tsingy de Bemaraha

Kein Nationalpark gleicht dem anderen, Tsingy macht da keine Ausnahme.

Eindrücklich die scharfen Karstfelder, die wir auf verschlungenen Wegen und über kurze Klettersteige (gesichert!) erkunden. Wir sind einmal mehr Lucky Guys! Neben Lemuren stöbern wir wunderschön gefärbte Laufvögel im dichten Unterholz auf. Beim Pausensandwich leistet uns ein Mangusto, ein kleines Raubtier mit Ringelschwanz, Gesellschaft. Und gestern eine sehr seltene Begegnung mit einer Fossa (Frettkatze), die vor uns die Piste überquert, eine auf Madagaskar endemische Raubtierart. Sie ist das größte Raubtier der Insel, nachtaktiv und ernährt sich vorrangig von Primaten und anderen Säugetieren.

 

Die Rückfahrt über Antsirabe hat ihre Tücken. Die komischen Geräusche des Pickupgetriebes machen unserem Fahrer Rado – er hat Fy abgelöst – Sorgen. Also zurück nach Miandrivazo, übernachten und morgen weiter. Anderntags ist der Ofen nach einigen Kilometern endgültig aus, die Oellache unter dem Auto verheisst nichts gutes. Wir haben grosses Glück, dass uns Sonja, eine aparte Französin, in ihrem Auto bis Tana mitfahren lässt. 

 

Nach zwei Übernachtungen bei Xaviers Verwandschaft in Antananarivo, die uns sehr herzlich aufnimmt und verwöhnt, ist unser endgültiges Ziel und das Ende unserer Madagaskar-Tour, Antsiranana, immer noch eine Woche und 1100 km entfernt. 

Unterwegs erkunden wir noch jeweils einen Tag den NP Ankarafantsika und als Abschluss den Nebelregenwald Montagne d'Ambre, in dem uns Guide Philippe u.a. das kleinste Chamäleon der Welt zeigt. Gerade mal 10 mm misst der Winzling! Ja, wir sind wirklich Glückspilze.

 

In Antsiranana (Diego Suarez), einem angenehmen Küstenstädtchen ganz im Norden, erholen wir uns drei Tage, planen die weitere Reise, bevor wir den kleinen Propellerflieger nach Tana besteigen.

Madagaskar mit seinen offenen Menschen und seiner eindrücklichen Natur war für uns sagenhaft schön, gerade auch, weil wir uns viel Zeit nehmen durften. Trotzdem bleiben viele Fragen zur Entwicklung des Landes unbeantwortet. Die Probleme in einem der ärmsten Länder der Erde sind enorm. Es gibt keine einfachen Lösungen.

Neben ungefährlichen Schlangen gibt es auch Nilkrokodile in Madagaskar. Wir hoffen, dass sie sich nicht an den in der Nähe Badenden vergreifen.
Neben ungefährlichen Schlangen gibt es auch Nilkrokodile in Madagaskar. Wir hoffen, dass sie sich nicht an den in der Nähe Badenden vergreifen.