Kambodscha, für einmal ohne Fahrrad
Drei Wochen wollen wir Kambodscha mit unseren Lieben erleben, mit einem interessanten Programm, aber viel Zeit zum Geniessen und Zusammensein; darauf freuen wir uns sehr.
Knapp eine Stunde dauert der ruhige Flug mit der zweimotorigen ATR 72 von Bangkok nach Siem Reap. Mühsam ist dagegen der Papierkrieg, um als Tourist ins Land einreisen zu dürfen. Vier Formulare und ein halbes Dutzend Beamte später – sie sitzen in aufsteigender Dienstgradreihe, prüfen und reichen unsere Personalpapiere weiter - klebt endlich das Visum für einen Monat Aufenthaltsdauer im Pass. Willkommen im Königreich Kambodscha.
In Siem Reap lassen es die vielen Touristen krachen; das Gedränge zwischen Verkaufsständen, Tuck-Tuck’s, Mopeds und Nachtmärkten ist enorm, nicht nur an Silvester. Das Nachtleben pulsiert im Rhythmus hämmernder Beats an den Bars, dazwischen wie bunte Hunde Langnasen älteren Semesters in weiten farbigen Pluderhosen, die schütteren grauen Haare zum Zopf geflochten, die irgendwann den Absprung verpasst haben; die kitschig-farbig blinkende Weihnachtsdekoration an jeder Ecke passt gut ins Bild.
Wir lassen uns eine Weile mittreiben, tauchen ein in die laute, farbige Touristen-Welt der Innenstadt, geniessen warme Abende und scharfes Essen und vermissen den nasskalten Winter in der Schweiz kein bisschen.
Zum Glück ist die sehr sehenswerte Tempelruinenstadt Angkor ausserhalb Siem Reap’s mit dem berühmten Angkor Wat, der weltgrössten Tempelanlage, riesig. Unglaublich welche Besuchermassen sich jeden Tag zwischen die Ruinen ergiessen. Wir suchen uns für den zweiten Tag abgelegenere Wat mit weniger Touris, entdecken wunderschöne Reliefs und Steinfiguren in den verwinkelten Bauten, geniessen die Ruhe nach dem Sturm. 2,5 Mio. Besucher muss Angkor jedes Jahr verkraften, Tendenz steigend.
Kunsthandwerk und das Weben von wunderschönen Seidenstoffen hat in Kambodscha eine lange Tradition. Die
Regierung hat dafür eine Schule eingerichtet um die Handfertigkeiten zu erhalten und der Bevölkerung auf dem Land ein Einkommen zu ermöglichen. Wir besuchen die Ausbildungsstätte und erfahren
welcher Sandstein sich für Figuren, welcher sich für Reliefs eignet, bewundern die verschiedenen Maltechniken und Materialien, staunen über die Handfertigkeit der Holzbildhauer. Ganz besonders
faszinierend ist die Herstellung der weichen Seidenstoffe. Enorm viel Arbeit und Handfertigkeit ist vom Auftrennen der Seidenraupen-Cocons zu einem Faden, beim Reinigen der Rohfäden, Färben
und Weben gefragt, bis ein kostbarer glänzender Seidenstoff entstanden ist. Gemessen an der Arbeit ist Seide hier in Kambodscha nicht teuer.
Phnom Pen
Den Zwischenstopp in der Hauptstadt nutzen wir um mehr über die jüngere Geschichte des Landes zu erfahren. Die Terrorherrschaft der Roten Khmer während des Bürgerkrieges von 1975 bis 1978 hat das Königreich verwüstet und fast seiner ganzen Bildungsschicht beraubt. Wer Brillenträger war oder eine Fremdsprache sprach, Lehrer, Professor oder Journalist als Beruf angab, studierte oder einfach von einem Nachbarn denunziert wurde, hatte kaum eine Chance, den Schergen der kommunistischen Khmer, darunter viele Jugendliche und Kinder, zu entkommen.
Mehr als 3,5 Millionen Kambodschaner wurden von den Roten Khmer, die unter den armen Bauern geeignete Opfer für das Erledigen der "Drecksarbeit" gefunden hatten, wie Vieh von Phnom Penh aufs Land vertrieben. Bald waren die Städte des Landes wie ausgestorben. Der Privatbesitz wurde abgeschafft, ebenso das Geld und der freie Handel.
Alle Kambodschaner, die nicht unmittelbar politisch verfolgt wurden, mussten unter strengster Bewachung auf den Reis- und Baumwollfeldern sowie im Strassenbau unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten. Dabei verhungerten und verdursteten viele, starben an Krankheiten oder wurden von den Aufsehern erschlagen.
Das berüchtigte Tuol-Sleng-Gefängnis in Phnom Pen ist heute Genozid-Museum und Gedenkstätte. Zwischen 2 und 3 Millionen Menschen, darunter unzählige Frauen und Kinder, wurden bestialisch umgebracht. Erschlagen, weil Munition zu kostbar war und verscharrt in einem der 20'000 Massengräber im Land, wie den Killing Fields ausserhalb der Hauptstadt. Bei Regen werden immer wieder menschliche Überreste und Kleiderteile aus dem Boden gespült. Uns schaudert. Alle unsere Führer und Betreuer auf der Reise durch Kambodscha haben enge Familienangehörige verloren, das macht die grosse Tragödie für uns noch greifbarer. Verstehen von so viel Grausamkeit ist unmöglich.
Über das kleine Küstenstädtchen Kep, bei Krabbenliebhabern sehr bekannt (Viel ist an den Schalentieren nicht dran. Wir lassen es bei einem Restaurantbesuch bewenden.) werden wir mit dem Kleinbus nach Kampot, wo wir einen interessanten Einblick in die Pfefferverarbeitung erhalten, chauffiert. Kleinbauern kultivieren die Kletterpflanzen hier an der Küste und ernten doch kaum mehr als 200 kg pro Jahr und Betrieb. Je nach Reifegrad und Behandlung nach dem Pflücken der kleinen Früchte wird grüner, schwarzer, roter oder weisser Pfeffer gewonnen. Kampotpfeffer soll einer der besten und besonders in der französischen Küche hoch begehrt sein. Den ganzen Tag lang von Hand Pfefferkörner sortieren, uhhhh . . . dann doch lieber Velofahren.
Shianoukville ist das andere lärmige Touristenmekka in Kambodscha. Von dort dauert die Bootsfahrt auf die kleine Insel Koh Rong Samloem im Golf von Thailand zweieinhalb Stunden. Mit „paradiesisch, ruhig, wenig Touristen“ wirbt der Prospekt für die Insel. Mit der Ruhe wird es wohl bald zu Ende sein. Am Saracen Beach an der Ostküste der Insel wird gehämmert und gesägt, hier entstehen neue Resorts am weiten Sandstrand. Noch ist die Infrastruktur bescheiden – ein paar Restaurants, zwei, drei Tauchbasen, ein kleiner Laden, Strom gibt’s nur abends, einen Internetanschluss sucht man vergebens – Anpassungen werden hier zwangsläufig folgen müssen. Für uns stimmt’s, wir geniessen das herrlich warme Wasser, die Wanderungen über die bewaldete Insel, die Ruhe nach dem Lärm der Stadt.
Alles andere als paradiesisch ist der Müll am Strand, wie überhaupt der viele Abfall in Dörfern und Vorstädten im Land. Es werden bei Bea und Pit ungute Erinnerungen an China wach. Unverständlich, dass den Kambodschanern die Sauerei offenbar gleichgültig ist, hat das Königreich doch viel zu bieten und begeistert mit seiner tollen Natur und (noch) wenig Massentourismus.
Nashornvögel und eine Nacht im Urwald
In den Nationalparks in den Kardamom-Bergen soll es noch frei lebende Elefanten geben. Grund genug für uns, den grauen Riesen nachzuspüren. Trampelpfade, ein paar Fussabdrücke und Kot, das ist alles, was wir in Sachen Elefanten zu Gesicht bekommen. Trotzdem, der Zweitagestripp in den Urwald ist ein tolles Dessert zum Kambodscha-Menu! Die Flussfahrt im motorisierten Langboot am frühen Morgen, aber vor allem die ruhige Ruderpartie in den kleinen, schmalen Booten (natürlich werden wir gerudert!) weiter flussaufwärts ist etwas vom Schönsten auf der Reise. Kaum ein Laut stört die Morgenruhe, das Wasser ist spiegelglatt, da und dort holen Fischer ihre Netze ein oder legen Reusen für die grossen Krabben aus. Dann, unvermittelt ein rhythmisches Rauschen über uns – riesige Nashornvögel (Hornbills) lassen sich kreischend im Baumwipfel nieder. Die Flügelspannweite misst sicher fast einen Meter fünfzig. Faszinierend, die scheuen Riesen der Lüfte nah zu erleben. Aber es gibt auch ganz kleine, unscheinbare Tiere im Urwald, die es faustdick hinter den Ohren haben. Wir wurden gewarnt, haben feste Schuhe angezogen und die langen Hosen in die Socken gestopft, trotzdem finden die kleinen unsympathischen Biester den Weg durch engsten Maschen an die Waden: Blutegel auf Schritt und Tritt! Ähhh, grusig und unglaublich hartnäckig. Warum sich wohl kein einziger Plaggeist an Pit’s Schenkel wagt, während alle anderen dauernd ihre Waden absuchen?
Eine Nacht in der Hängematte unter freiem Himmel hat keiner von uns bisher zugebracht. Trotz Mückennetz und Decke will der Schlaf nicht wirklich kommen (ausser bei Bea). Zu ungewohnt ist die Rückenlage, zu eingeengt das Liegen. Und dann sind da nachts noch Laute, die nicht einzuordnen sind . . . Unsere Führer erzählen am Morgen, dass eine Horde Affen in der Nähe war. Wenigsten haben sie unsere Bananen in Ruhe gelassen.
Einer unserer Guides hat während des Bürgerkriegs mit seiner Familie verborgen im Urwald überlebt. Wir sind fasziniert von seinen Pflanzen- und Tierkenntnissen. Blätter und Pilze die man roh oder nur gekocht essen kann, Lianen die viel Trinkwasser speichern, Baumrinde als Medizin gegen Durchfall, grosse und kleine Früchte, Nüsse, Wurzeln und, und. Fantastisch, was der bescheidene Mann weiss!
Viel zu schnell verging die Zeit. Nach letzten Tagen in Bangkok lassen wir unsere Lieben fliegen. Wir haben die tolle Reise, einmal ohne Velo, sehr genossen. Zeit für uns, bald wieder in den Sattel zu steigen und Neues zu erfahren.
Das Königreich Kambodscha mit seiner langen Geschichte fasziniert und fesselt. Wir haben die Menschen als höflich-zurückhaltend erlebt. Dank unseren kompetenten Führern gab es selten Sprachprobleme (gut Englisch sprechen nur wenige). Ausser in Siem Reap und Sihanoukville gibt es kaum Massentourismus. Die Strassen auf den Hauptachsen sind geteert und in gutem Zustand, Nebenstrassen haben keinen festen Belag (zumindest die, die wir sahen). Das Preisniveau haben wir als leicht höher als in Thailand erlebt. Kambodscha ist auf jeden Fall eine Reise wert.
FarmLink, Kampot, Interessantes zur Pfefferverarbeitung
Tooy Khang Cheun Village, Angdong Khmer Area, Kampot Town
Kampot Province
Office: Accross the new bridge, first road on the right, second house on the left. The office is opened from 7:30am to 11:30am and from 1:30pm to 4:30pm.
Angkor Silk Farm, 17 km ausserhalb von Siem Reap
Gut mit einem Tuck-Tuck zu erreichen. Airport Road (ehemals Puok Silk Farm)
www.erlebe-fernreisen.de
Internet-Reisebüro zum Buchen von Fernreisen mit interessanten „Bausteinen“ zum selber Zusammenstellen.
Wunderschöne Impressionen unserer Kambodschareise
von Christian unter:
https://www.flickr.com/photos/128067465@N04/sets/72157650315083437